Leitsatz (amtlich)
Ein Prämiensystem, in dessen Rahmen eine Apotheke für den Erwerb verschreibungspflichtiger preisgebundener Bonuspunkte gewährt, mit denen bei der Apotheke selbst oder bei Partnerunternehmen andere Leistungen erworben werden können, ist wettbewerbswidrig. Ob die Bonuspunkte eine Gegenleistung für den Erwerb von Arzneimitteln sind, ist im Einzelfall aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs zu beurteilen.
Normenkette
AMPV § 1; AMPV § 3; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Aktenzeichen 12 O 403/06) |
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs "...-Taler", die wie aus der Anlage K1 der Klageschrift ersichtlich gegen Prämien eingelöst werden können, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimittel zu gewähren. Außerdem hat das LG die Beklagte zum Ersatz der Abmahnkosten i.H.v. 189 EUR nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass den Kunden in den von der Klägerin angeführten Fällen tatsächlich ...-Taler im Zusammenhang mit dem Erwerb preisgebundener Arzneimittel ausgehändigt worden seien. Dies verstoße gegen § 78 AMG i.V.m. §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung und damit zugleich gegen § 4 Nr. 11 UWG.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte erneuert ihre Behauptung, die bei den Testkäufen am 18.03., 11.04. und 2.5.2006, also zur Zeit der Geltung des Prospekts in der Fassung, wie er im angefochtenen Urteil wiedergegeben ist, ausgehändigten ...-Taler seien allein deshalb ausgegeben worden, weil die betroffenen Kunden (Testkäufer) länger als fünf Minuten warten mussten. Die weiteren Testkäufe, bei denen die Beklagte ebenfalls ...-Taler ausgehändigt hat, erfolgten unstreitig zur Zeit der Geltung des Prämien-Prospekts gemäß Anlage B 17. Darin werden, im Unterschied zu dem vorher gültigen Prospekt,...-Taler auch für den Fall ausgelobt, "wenn Sie uns als Kunde besuchen und wir Sie bedienen dürfen." Die Beklagte vertritt die Auffassung, sich rechtmäßig zu verhalten, wenn sie gemäß dieser im Prospekt offengelegten Weise verfährt. Sie erachtet ihr Verhalten vor allem auch deshalb für rechtmäßig, weil, wie sie behauptet, ein einzelner ...-Taler einen Wert von nur 40 EURcent hat.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Tenor des angefochtenen Urteils statt "bei der Abgabe" heißen soll "für den Erwerb".
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Der eingeklagte Unterlassungsanspruch in der von der Klägerin im Berufungsverfahren präzisierten Form, bei der es sich allein um eine Klarstellung, nicht um eine teilweise Klagerücknahme handelt, folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 Satz 2 AMG, 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung.
Wie der Senat bereits entschieden hat (Urt. v. 29.11.2007 - 6 U 26/07, Rz. 19 bei Juris), folgt er nicht der Auffassung des OLG Hamburg (WRP 2007, 1377, 1380), die Arzneimittelpreisverordnung und § 78 AMG enthielten keine eigenständige Verbotsnorm bezüglich der Gewährung von Rabatten, einschlägig sei insoweit ausschließlich § 7 HWG. Vielmehr sind beide Regelungen nebeneinander anwendbar. Während § 7 HWG die Fälle unzulässiger, weil den Abnehmer unsachlich beeinflussender und eine mittelbare Gesundheitsgefährdung auslösender (vgl. dazu BGH WRP 2007, 1088 - Krankenhauswerbung) Wertreklame regelt, zielt § 78 AMG darauf, bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf der letzten Handelsstufe einen Preiswettbewerb auszuschließen (so auch schon OLG Frankfurt WRP 2006, 613, 616 - Family-Taler).
Mit ihrem Prämiensystem verstößt die Beklagte gegen § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG i.V.m. §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung. Die aufgrund des § 78 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung (zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.3.2007) schreibt in §§ 1, 3 für die Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch Apotheken - vorbehaltlich der in § 1 Abs. 3 geregelten Ausnahmen - ein Preisbildungsverfahren vor, das zu einem bestimmten einheitlichen Preis für das betreffende Arzneimittel führt. Wie der Senat bereits entschieden hat, liegt ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt; vielmehr werden die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene ...