Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 06.12.1995; Aktenzeichen 3 O 342/94)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 06.12.1995 abgeändert.

Die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei bei der Bemessung des Schmerzensgeldes insgesamt ein hälftiges Mitverschulden des Klägers und seiner Arbeitgeberin zu berücksichtigen ist.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen zukünftigen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 13.09.1993 zur Hälfte zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 13.09.1993 zu ersetzen, wobei bei der Bemessung des Schmerzensgeldes insgesamt ein hälftiges Mitverschulden des Klägers und seiner Arbeitgeberin zu berücksichtigen ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Rechtsstreit wird zur Durchführung der weiteren Verhandlung über den Betrag an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers und der Beklagten beträgt jeweils 60.000,00 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger macht die Beklagten für einen Arbeitsunfall verantwortlich, den er am 13.09.1993 auf einer Baustelle in … erlitten hat.

Die Beklagten zu 2) und 3) sind als Architekten tätig. Sie erbrachten als Mitglieder einer BGB-Gesellschaft ab Mai 1993 für das Bauvorhaben, aus welchem sich der Unfall des Klägers ereignete. Architektenleistungen. Der Beklagte zu 2) zeigte mit Schreiben vom 03.05.1993 gegenüber der Bauaufsichtsbehörde die Übernahme der Bauaufsicht gemäß § 80 HBO a.F. durch die BGB-Gesellschaft an und bezeichnete sich selbst als verantwortlichen Bauleiter.

Der Kläger, der als Malergeselle bei der Firma … GmbH beschäftigt ist, welche als Werkunternehmerin für das Bauvorhaben Außenarbeiten durchführte, war unmittelbar vor dem Unfall damit beschäftigt, Plastikfolie von einem Regenfallrohr abzulösen. Er stürzte ca. 11 bis 12 m ab. Dabei durchschlug er den in 1,50 m Höhe an der 6. Gerüstetage angebrachten Querholm, welcher entgegen der technischen Vorgabe auf der einen Seite nicht mit einer Kippfingerkupplung befestigt worden war, sondern lediglich durch drei Plastikbänder (Kabelbinder) gehalten wurde. Die in 50 cm und 100 cm Höhe angebrachten Geländerholme waren ordnungsgemäß befestigt.

Der Kläger zog sich bei dem Unfall eine Schambeinsprengung, einen Bruch des Darmbeins, einen Bruch des linken Fersenbeins und Querfortsatzbrüche der Lendenwirbelkörper 1 und 5 zu. Es waren stationäre Aufenthalte in der Universitätsklinik … in der Zeit vom 13.09.1993 bis zum 03.12.1993 und vom 15.12.1993 bis zum 23.12.1993 erforderlich. Der Heilungsverlauf war wegen einer Infektion des Schambeins und einer aufgetretenen Thrombose kompliziert.

Vor dem Unfall war das Gerüst von einer Vielzahl von Handwerkern benutzt worden. Zum Unfallzeitpunkt waren die Giebelseiten des Bauvorhabens bereits entrüstet worden. Das Restgerüst selbst sollte vertragsgemäß am 15.10.1993 abgebaut werden. Wer die Veränderungen der Befestigungen an der Absturzstelle vorgenommen hatte, ist nicht bekannt.

Der Kläger hat behauptet, er habe sich gegen das Geländer des Gerüstes gelehnt; dieses habe dann nachgegeben. Deswegen sei er abgestürzt.

Die Beklagten hätten gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Er hat daher ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 100.000,00 DM sowie die Feststellung weitergehender Ersatzpflichten hinsichtlich materieller und immaterieller Zukunftsschäden gefordert.

Die Klage gegenüber der Beklagten zu 1), welche im Auftrag des am Bauvorhaben tätigen Dachdeckerunternehmens am 05.08.1992 das Gerüst erstellt hatte, wurde abgewiesen. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Die Beklagten zu 2) und 3) haben die Unfalldarstellung des Klägers bestritten. Sie haben behauptet, dieser müsse sich unberechtigterweise auf dem Dach aufgehalten haben. Dafür spreche die Beschädigung der Dachziegel in Höhe der Absturzstelle und der Umstand, daß die Querholme in einer Höhe von 50 cm und 100 cm gehalten hätten. Sie verweisen darauf, daß für Malerarbeiten lediglich Holme bis zu einer Höhe von 1 m Vorschrift seien.

Das Landgericht hat die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) und 3) mit der Begründung abgewiesen, daß einer Verletzung vertraglicher Schutzpflichten oder Verkehrssicherungspflichten nicht gegeben sei.

Gegen diese Würdigung wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Er vertritt die Auffassung, die Beklagten zu 2) und 3) hätten als bauleitende und die bauaufsichtsführenden Architekten wissen müssen, welche Unternehmen das Gerüst benu...

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