Entscheidungsstichwort (Thema)

Gläubigerkenntnis bei Zahlungseinstellung des Schuldners; Bewertung eigener Erklärungen des Schuldners, nicht zahlen zu können.

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 17.07.2015; Aktenzeichen 9 O 1281/14)

 

Tenor

Das Urteil des LG Hanau vom 17.7.2015 (Az.: 9 O 1281/14) wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 39.797,85 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 2.12.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 39.797,85 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rückgewähr erhaltener Zahlungen aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

Der Kläger wurde mit Beschluss des AG. vom ... Dezember 2011 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma ... GmbH (nachfolgend "Insolvenzschuldnerin") bestellt. Das Verfahren wurde an diesem Tag eröffnet. Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten bestand eine Geschäftsbeziehung, aus der die Beklagte im Juli 2009 über fällige Forderungen in Höhe von insgesamt 34.303,- verfügte. Dabei handelte es sich um 92 Einzelpositionen ab einem Betrag von 4,19 EUR bis hin zu einem Betrag in Höhe von EUR 2.385,24. Die Mehrzahl der Forderungen beliefen sich dabei auf Beträge im unteren dreistelligen Bereich. Auf die Forderungsaufstellung der Beklagten vom 24.7.2009 in Anlage K 10 (Bl. 76 bis 81 d.A.) wird Bezug genommen. Auf eine Zahlungsaufforderung der Beklagten hin teilte die Insolvenzschuldnerin dieser mit Schreiben vom 30.7.2009 (Anlage K 12, Bl. 84 d.A.) folgendes mit:

"Die von Ihnen aufgeführte Forderungsliste der Fa. X ist unstrittig. Der Vorgang ist uns sehr unangenehm und bedauerlich. Aufgrund der momentanen Geschäftssituation/Wirtschaftslage, die auch an uns nicht vorbei zieht, können wir zur Zeit nicht den genannten Betrag anweisen."

Dann folgt nach einem Vorschlag, die Forderung in Raten von wöchentlich EUR 2.000,- zu zahlen, weiter der Hinweis:

"Das mittelfristige Ziel ist bei der Firma nach Abbau der der Verbindlichkeiten das Liefergeschäft wieder zu aktivieren."

Gleichlautende Briefe richtete die Insolvenzschuldnerin am 8.10.2009 an die Firma A GmbH. Co. KG (Anlage K 7, Bl. 71 d.A.) und am 18.2.2010 an die Firma B GmbH (K 6a, Bl. 69 d.A.). Gegenüber der Fa. B GmbH anerkannte die Insolvenzschuldnerin zugleich Verbindlichkeiten aus der Zeit vom 27.2., 21.7. und 6.7.2009 insgesamt zu einem Betrag in Höhe von EUR 29.272,40. Eine von der Beklagten auf das Schreiben der Insolvenzschuldnerin vom 30.7.2009 hin entworfene schriftliche Ratenzahlungsvereinbarung unterzeichnete die Insolvenzschuldnerin nicht. Nach Androhung gerichtlicher Schritte mit Schreiben vom 14.8.2009 (Anlage K 14, Bl. 93 d.A.) zahlte die Insolvenzschuldnerin schließlich am 11., 18., 25.8., am 1., 11. und 23.9. jeweils eine Rate in Höhe vom EUR 2.000,-. Nach drei weiteren Zahlungen im Oktober 2009 zahlte die Insolvenzschuldnerin nach erneuter Androhung gerichtlicher Schritte mit Schreiben vom 4.11.2009 durch die Beklagte am 10.11.2009 einen Betrag in Höhe von EUR 2.000,- und nach Erlass eines Vollstreckungsbescheides am 17.12.2009 am 23.12.2009 einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 4.000,-. Am 19.1.2010 teilte die Insolvenzschuldnerin der Beklagten mit, sie sei aufgrund der anhaltenden nur schleppend in Gang kommenden Auftragslage derzeit nicht der Lage, die EUR 2.000,- im Monat zu leisten und bat um Reduzierung der Rate auf EUR 1.500,-, verbunden mit dem Hinweis: "Wir wollen leisten, was wir können". Ab Januar 2010 zahlte die Insolvenzschuldnerin in unregelmäßigen Abständen Beträge von 1.000,- EUR, 5000,- EUR, 750,- EUR 4.000,- und EUR 3.296,85, insgesamt bis zum 11.8.2010 einen Betrag in Höhe der Klageforderung. Im März 2010 bat die Insolvenzschuldnerin erneut um Zahlungsaufschub und "Geduld bei der Abzahlung", kündigte eine Sofortanweisung von EUR 1.500,- und verband dies mit dem Hinweis: "Mehr geht leider nicht." Auch mit den Firmen A GmbH und der B GmbH, der Fa. C GmbH und der Firma D GmbH schloss die Insolvenzschuldnerin Ratenzahlenvereinbarungen und leistete Zahlungen an diese. Auf Anlagen K 7a (Bl. 72 d.A.), K 7, (Bl. 71 d.A.), K 6a, (Bl. 69 d.A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben des Klägers vom 5.12.2014 erklärte dieser die Anfechtung der an die Beklagte geleisteten Zahlungen. Ein Auszug aus der Insolvenzstabellenstatistik vom 25.2.2015 benennt insgesamt 44 Insolvenzgläubiger, mit festgestellten Forderungen in Höhe von insgesamt EUR 713.199,58. In der Tabelle sind alle v. g. Firmen als Gläubiger mit Forderungen enthalten. Auf den Tabellenauszug der Anlage K 5 (Bl. 63 bis 67 d.A.) wird Bezug genommen.

Wegen der vor...

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