Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Gesetzkonkurrenz zwischen pauschaliertem Schadensersatz nach außerordentlicher Kündigung des Abonnementvertrags und deliktischem Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung von Urheberrechten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kündigt der Inhaber eines ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechts den Vertrag, mit dem er einem Gewerbetreibenden die urheberrechtliche Nutzung des geschützten Werks erlaubt hatte, wegen Zahlungsverzugs wirksam außerordentlich, kann er neben dem nachvertraglichen pauschalierten Schadenersatz auch deliktischen Schadenersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie verlangen, wenn der Gewerbetreibende nach der außerordentlichen Kündigung das geschützte Werk widerrechtlich nutzt.

2. Die Zuerkennung beider Ansprüche widerspricht weder § 249 BGB noch ist der nachvertraglich pauschalierte Schadenersatzanspruch im Wege des Vorteilsausgleichs mindernd bei der Bestimmung des deliktischen Schadensersatzes zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BGB § 281; UrhG § 97 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.11.2022; Aktenzeichen 2-06 111/22)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das am 23.11.2022 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-06 O 111/22) teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 6.087,40 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.6.2022 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Beklagte zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 1/5 und der Beklagte 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist, soweit der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin EUR 5.119,40 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.6.2022 zu zahlen hat, rechtskräftig. Im Übrigen ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 1.196,- festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Fernsehveranstalterin und bietet ihren Kunden u.a. das Programm "X" und "Y" an, die insbesondere die Berichterstattung der Live-Spiele der UEFA-Championsleague beinhalten.

Die Klägerin hatte u.a. für die Spielzeiten 2020/2021 die ausschließlichen Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe an dem im Auftrag der Union der Associations Européennes de Football ("UEFA") produzierten "World Feed" der Champions League Spielbegegnungen, eines eigenständigen Filmwerks.

Der Beklagte betreibt die Betriebsstätte "A". Die Parteien hatten am 22.2.2019 einen gewerblichen Nutzungsvertrag geschlossen, mit dem die Klägerin dem Beklagten ab dem 12.3.2019 die öffentliche Wiedergabe der Sendungen der Klägerin in der Betriebsstätte des Beklagten gegen Zahlung einer Abonnementgebühr von EUR 240,- monatlich netto gestattete. Am 12.3.2019 wurde die Berechtigung des Beklagten zur Wiedergabe aktiviert (Bl. 52 d.A.).

Nachdem der Beklagte mit der Zahlung der Gebühren für die Monate März und Juni 2020 in Verzug geraten war, mahnte die Klägerin ihn erfolglos ab, setzte ihm erfolglos eine Nachfrist zur Zahlung und kündigte den Nutzungsvertrag am 13.7.2020 entsprechend ihrer vertraglichen Befugnis fristlos.

Am 18.8.2020 machte der Beklagte in seiner Betriebsstätte über den Sender "Z" die Live-Übertragung der Begegnung der UEFA Champions League RB Leipzig gegen Paris St. Germain öffentlich wahrnehmbar, wie einer der Kontrolleure der Klägerin feststellte. Die Klägerin mahnte den Beklagten daraufhin erfolglos wegen der Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte ab.

Der Beklagte zahlte im Folgenden insgesamt EUR 400,- an die Klägerin.

Die Klägerin hat den Beklagten sodann auf pauschalierten nachvertraglichen Schadenersatz in Anspruch genommen. Der Beklagte sei nach der berechtigten fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs verpflichtet, pauschalierten Schadenersatz für die Restlaufzeit zu zahlen, wobei sie von der ursprünglichen Restlaufzeit des Vertrags pauschal zwei Monate abziehe und eine fünfprozentige Abzinsung berücksichtige. Da der Vertrag bei fristgerechter Kündigung eine Laufzeit bis zum 31.3.2021 gehabt hätte, mithin im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung weitere 9 Monate gelaufen wäre, berechne sich ihr Schaden aus der netto-Lizenzgebühr für 7 Monate abzüglich der Abzinsung, mithin in Höhe von EUR 1.596,-. Abzüglich der vorgerichtlich geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt EUR 400,- bestehe der Anspruch daher noch in Höhe von insgesamt EUR 1.196,-.

Sie hat darüber hinaus Schadenersatz nach der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 UrhG wegen der Verletzung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts an dem Filmwerk geltend gemacht, da der Beklagte das Filmwerk - das Spiel der Champions League - öffentlich wahrnehmbar gemacht habe, obwohl ihm dies im damaligen Zeitpunkt nicht mehr durch einen gewerblichen Nutzungsvertrag mit der Kläger...

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