Leitsatz (amtlich)

In der Gewässer-Haftpflichtversicherung tritt der Versicherungsfall erst ein, wenn das Grundwasser bereits beeinträchtigt ist und deshalb eine Haftung wegen der Verletzung eines privatrechtlich geschützten Rechtsgutes eines Dritten unmittelbar bevorsteht und nicht bereits schon, wenn eine Grundwasserkontamination unmittelbar bevorsteht.

 

Normenkette

AHB § 5 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-13 O 123/03)

 

Gründe

I. Die Klägerin, die in O1 ein Autohaus und eine Tankstelle betreibt, macht Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Haftpflichtversicherung geltend. In den Versicherungsvertrag, der noch mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossen wurde, sind neben den AHB 7.90, wegen deren Wortlauts auf Bl. 50-52 d.A. Bezug genommen wird, die Bedingungen für die Haftpflichtversicherung für Kfz-Handels- und Handwerksbetreibe sowie die Besonderen Bedingungen für Gewässerschäden (Bl. 49 d.A.) einbezogen. § 2 Abs. 1 dieser Besonderen Bedingungen lautet:

"Aufwendungen, auch erfolglose, die der Versicherungsnehmer im Versicherungsfall zur Abwendung oder Minderung des Schadens für geboten halten durfte (Rettungskosten), sowie außergerichtliche Gutachterkosten werden vom Versicherer insoweit übernommen, als sie zusammen mit der Entschädigungsleistung die Versicherungssumme für Sachschäden nicht übersteigen. (...)"

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages, den sie unstreitig für die Untersuchung und Bodensanierung ihres Betriebsgrundstücks aufgewendet hat, und meint, hierbei handele es sich um vorgezogene Rettungskosten im Sinne der zitierten Klausel. Auf dem Betriebsgelände der Klägerin befand sich ein unterirdischer Heizöltank. Im Jahre 1992 wurde festgestellt, dass aus dem Domschacht dieser Tankanlage größere Mengen Heizöl in das Erdreich versickert waren. Auf Grund einer am 11.11.1993 durchgeführten Untersuchung stellte das Grundbau-Institut Prof. Dr. X. in einem im Februar 1994 erstatteten Gutachten (Bl. 83-120 d.A.) fest, dass die Ölbelastung im Boden sich bis auf eine Tiefe von 7,0 bis 7,8 Meter unter dem Hofniveau erstrecke und dass im Grundwasser in rund 40 Metern Entfernung zum Schadensherd eine erhöhte Kohlenwasserstoffkonzentration aufgetreten sei. Deren Zusammenhang mit dem Austritt von Heizöl sei nicht eindeutig nachzuweisen, weil an derselben Messstelle bereits im März 1990 ein erhöhter Kohlenwasserstoffgehalt festgestellt worden sei und weil Referenzmessstellen im Oberstrom des Grundwassers fehlten. Im Ergebnis nahm der Sachverständige eine Gefährdung des Grundwassers an. Das Büro für Umwelttechnologie führte in einem Schreiben vom 23.4.1999 (Bl. 78 d.A.) aus, dass in einer Bohrung am Heizöltank in einer Tiefe von 7 bis 8 Metern Kohlenwasserstoffe angetroffen worden seien und dass bei der Beprobung der Grundwassermessstellen am 3.8.1997 Grundwasserstände von 7,65 bis 8,74 Meter unter der Grundstücksoberkante ausgelotet worden seien. Dies bedeute, dass der Schaden am 3.8.1997 zumindest bis in den Grundwasserschwankungsbereich vorgedrungen gewesen sei. Ein Sanierungsbedarf für das Grundwasser habe sich nicht ergeben, wohl aber im Rahmen der Gefahrenabwehr ein akuter Sanierungsbedarf für den Boden "zum Schutze des Grundwassers und der menschlichen Gesundheit". In einer Aktennotiz der unteren Wasserbehörde vom 5.8.1997 (Bl. 81 f. d.A.) wird ausgeführt, dass bei ca. 9 Metern Tiefe Grundwasser anstehe und dass ein längeres Zuwarten mit einer Sanierung des Bodens auf dem Gelände der Klägerin wegen der vorliegenden Bodenbelastungen und einer davon ausgehenden Gefahr für das Grundwasser nicht möglich sei. Zuvor hatte die untere Wasserbehörde in einem Schreiben an den Klägervertreter vom 27.10.1994 (Bl. 122 f. d.A.) ausgeführt, dass möglicherweise eine "Trinkwasserbedrohung" für die Allgemeinheit entstehen könne und dass es im Stadtteil A., wo das Betriebsgelände der Klägerin liegt, verschiedene Privatbrunnen gebe, die letztendlich verunreinigt und somit unbenutzbar würden, sofern eine Boden- und Grundwassersanierung nicht durchgeführt werde.

In einem Schreiben an die damaligen Klägervertreter vom 31.1.1994 (Bl. 5 d.A.) hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten erklärt: "Wir treten für den Schaden ein, soweit es sich um sog. vorgezogene Rettungskosten zur Vermeidung eines Drittschadens infolge einer drohenden Gewässerverschmutzung handelt. (...) Da die vorliegenden Rechnungen auch Kosten für Arbeiten am Tankraum und Beseitigung von entsprechendem Abraum enthalten, die nach den eingangs erwähnten Kriterien nicht zu ersetzen sind, wird unser Beauftragte zur Differenzierung der Kosten den Schadensort besichtigen." Mit Schreiben vom 23.2.1994 (Bl. 6 f. d.A.) erklärte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, es nicht zu akzeptieren, dass nach Angaben der Klägerin der eigentliche Schadensverursacher nicht zu belangen und dessen Verschulden nicht nachzuweisen sein solle. Im Jahre 1995 erhob die Klägerin vor dem LG Darmstadt (Az. 15 O 632/95) Schadensersatzklage gegen zwe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge