Entscheidungsstichwort (Thema)
AGB-Inhaltskontrolle: Unangemessene Benachteiligung durch "Zwangsmediationsversuch" in der Rechtsschutzversicherung; Irreführung durch Verwendung der Begriffe "Rechtschutzversicherung" und "Mediation"
Leitsatz (amtlich)
1. Die von einer Rechtsschutzversicherung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel, wonach die Übernahme der Kosten für eine anwaltliche Beratung von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar.
2. Zur Frage des irreführenden Gebrauchs der Begriffe "Rechtsschutzversicherung" und "Mediation" in dem in Leitsatz 1 genannten Fall.
Normenkette
UWG § 5; UKlaG § 1; BGB § 307
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.05.2014; Aktenzeichen 2-06 O 271/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7.5.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren Vorständen, zu unterlassen,
in Rechtsschutzversicherungen die folgenden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung zu verwenden oder sich auf sie zu berufen:
a) "(1) Bei den Leistungsarten Schadensersatz-Rechtsschutz (§ 2a), Arbeits-Rechtsschutz (§ 2b), Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz (§ 2c), Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht (§ 2d) übernimmt der Versicherer für die außergerichtliche Wahrnehmung von Interessen nur die in § 5 Abs. 1c) ARB genannten Kosten eines von ihm ausgewählten Mediators."
b) "(2) Bei den in Absatz 1 genannten Leistungsarten besteht Anspruch auf Rechtsschutz für die gerichtliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen erst dann, wenn zusätzlich zu den in § 4.1a ARB genannten Voraussetzungen sich der Versicherungsnehmer um eine Konfliktlösung durch Mediation vergeblich bemüht hat. Dies gilt dann nicht, wenn mit der Durchführung der Mediation für den Versicherungsnehmer unmittelbare Rechtsnachteile verbunden sind oder unmittelbare Rechtsverluste drohen.
(3) Abweichend von § 5 Abs. 2a ARB kann der Versicherungsnehmer die Übernahme der vom Versicherer zu tragenden Kosten für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor Gerichten erst verlangen, wenn auch die in Abs. 2 genannten Voraussetzungen vorliegen."
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 490,37 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.7.2013 zu zahlen.
III. Die Klägerin ist befugt, die Urteilsformel zu I. nach Rechtskraft dieses Urteils mit der Bezeichnung der verurteilten Beklagten einmalig im Bundesanzeiger auf Kosten der Beklagten, im Übrigen auf eigene Kosten, bekannt zu machen.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bot den Abschluss einer als "Rechtsschutzversicherung" bezeichneten Versicherung an, bei der nach den im Tenor wiedergegebenen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Übernahme anwaltlicher Beratungskosten von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig war; die Beklagte bot hierfür dem Versicherungsnehmer günstigere Konditionen als beim Abschluss eines Vertrages ohne diese Beschränkung.
Die Klägerin nimmt die Beklagte hinsichtlich der Verwendung der beiden Klauseln sowie der Bezeichnungen "Rechtsschutzversicherung" und "Mediator"/"Mediation"/"Mediationsverfahren" auf Unterlassung in Anspruch. Weiter verlangt sie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten und begehrt die Gestattung zur Bekanntmachung der Urteilsformel im Bundesanzeiger sowie zur Veröffentlichung des Urteils.
Das Landgericht hat die Beklagte hinsichtlich der Verwendung der AGB-Klauseln sowie der Bezeichnungen "Mediator"/"Mediation"/"Mediationsverfahren" zur Unterlassung gemäß den Klageanträgen sowie zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.081,26 EUR nebst Zinsen verurteilt. Weiter hat es die Klägerin befugt, nach Rechtskraft des Urteils die Urteilsformel betreffend die AGB-Klauseln im Bundesanzeiger bekannt zu machen und einen Text über den Inhalt des Unterlassungstenors in öffentlichen Medien zu veröffentlichen. I...