Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.01.2020; Aktenzeichen 2-27 O 306/19) |
Tenor
Das Urteil ist in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17.8.2021 dargestellt.
Die Berufung des Klägers gegen das am 31.1.2020 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz von der Beklagten, da er ein Fahrzeug erworben habe, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei.
Der Kläger hat am 30.3.2017 von der Beklagten einen PKW Mercedes Benz C 220d T zu einem Kaufpreis von 25.990,- EUR erworben. Das Fahrzeug hatte beim Erwerb einen Kilometerstand von 32.150 km und unterlag bei seiner Zulassung der Euronorm 6.
Das Fahrzeug des Klägers selbst ist von keinem verpflichtenden Rückruf betroffen.
Der Kläger macht geltend, das Fahrzeug sei von dem so genannten Abgasskandal betroffen, da es mit einer von der Beklagten entwickelten Abschalteinrichtung versehen wurde, um im Falle eines Abgastests die zulässigen Abgaswerte zu erreichen. Es weise daher einen Sachmangel auf.
Die Beklagte habe bei ihren Fahrzeugen, so auch bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug, unterschiedliche Abschalteinrichtungen verwendet. So habe sie eine Aufwärmstrategie benutzt, die eine Prüfstandsituation erkenne und in einen Fahrmodus mit weniger Schadstoffausstoß schalte. Sie benutze auch ein Thermofenster, das die Ausnahmeregelung zum Motorenschutz deutlich überzogen habe und daher als unzulässige Abschalteinrichtung zu werten sei. Sie benutze weiter eine fehlerhafte Dosierung des Harnstoffmittels AdBlue im SCR-Katalysator, die dazu führe, dass das Fahrzeug weniger AdBlue verbrauche, als für die Erreichung der Grenzwerte notwendig sei. Bei einer anderen Softwarefunktion wechsele die Motorsteuerung nach 1200 Sekunden in einen schmutzigen Abgasmodus. Dies sei genau der Zeitraum, nachdem der Testzyklus auf dem Rollenprüfstand ende. In dem Fahrzeug sei eine weitere Abschalteinrichtung verbaut, die auf das Getriebe des Fahrzeugs einwirke. Das Fahrzeug, bzw. die Software erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand oder im normalen Straßenverkehr befinde. Hierdurch würden die Schaltpunkte des Getriebes verändert, woraufhin auf dem Rollenprüfstand niedrigere CO2-Werte und ein niedrigerer Benzinverbrauch aufträten als im normalen Straßenverkehr.
Zahlreiche Fahrzeuge der Beklagten seien von Rückrufen betroffen. Die Motorsteuerung der Beklagten knüpfe nicht an bestimmte Betriebszustände oder Umweltbedingungen an, sondern ausschließlich an die Feststellung des NEFZ-Prüfzyklus, ziele also bewusst auf eine Steuerung der Emission für den Ausnahmefall der Genehmigungsprüfung. Wegen des Verdachts, dass die Beklagte eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht dem Kraftfahrtbundesamt als Genehmigungsbehörde offengelegt habe, habe im März 2017 eine bundesweite Durchsuchung der Räumlichkeiten der Beklagten stattgefunden. Ausweislich ihres Konzernzwischenlageberichtes 2018 rechne die Beklagte auch mit begründeten Schadensersatzforderungen aus diesen Sachverhalten. Die Beklagte habe weiter eine Manipulation des On-Board-Diagnosesystems vorgenommen. Dieses sei so programmiert worden, dass es bei der Inspektion fälschlicherweise melde, dass die Abgassysteme des Fahrzeugs ordnungsgemäß funktionierten. Hätte die Zulassungsbehörde von diesen Mängeln gewusst, hätte sie keine Typengenehmigung erteilt.
Die Beklagte habe jeweils über folgende Umstände getäuscht: Das streitgegenständliche Fahrzeug unterfalle der Typengenehmigung, weil es den Vorgaben des genehmigten Typs entspreche. Es erfülle die angegebene Euronorm, insbesondere würden weder auf dem Rollenprüfstand noch auf der Straße Schadstoffe ausgestoßen, die die gesetzlichen Grenzwerte um das bis zum zig-fache überschreiten. In dem Fahrzeug sei eine voll funktionsfähige Abgasreinigungsanlage verbaut, die sowohl auf dem Rollenprüfstand als auch im normalen Fahrbetrieb voll funktionsfähig sei. Die gesetzlichen Grenzwerte über den Geräuschpegel würden eingehalten. Das Fahrzeug erfülle alle gesetzlichen Vorgaben und sei nach diesen Vorgaben technisch ausgestattet hergestellt worden. Das Fahrzeug verfüge nicht über eine illegale Software, die den Schadstoffausstoß manipuliere. Das Fahrzeug sei weiter voll funktionstüchtig, insbesondere wäre es nicht zu Beginn des Fahrens in einem Testmodus gefahren, welcher Schäden bei dem Fahrzeug hervorrufen kann. Das Fahrzeug verfüge über ein ordentlich funktionierendes gesetzlich vorgeschriebenes On-Board-Diagnosesystem, welches geeignet sei, Fehler bei der Abgasreinigung im Normalbetrieb ...