Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrags; Erheblichkeit von Pflichtangaben
Leitsatz (amtlich)
1. Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erheblichkeit von unzureichenden Pflichtangaben in einem Darlehensvertrag, auf den weder die Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie Anwendung finden noch die reduzierten Informationspflichten des Darlehensgebers nach nationalem Recht gemäß Art. 247 § 9 EGBGB a.F.
2. Die fehlende Maßgeblichkeit der Angaben zur Höhe und Anpassung des Verzugszinssatzes besteht unabhängig davon, ob in den Vertragsbedingungen lediglich auf die Berechtigung zur Geltendmachung des Verzugsschadens oder auf die Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 S. 2 BGB verwiesen worden ist.
3. Umfang der Informationspflichten zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren gemäß Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB a.F. in Bezug auf grundpfandrechtlich gesicherte Verbraucherdarlehen, für welche weder die Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie Anwendung finden noch die reduzierten Informationspflichten des Darlehensgebers nach nationalem Recht gemäß Art. 247 § 9 EGBGB a.F.
Normenkette
BGB § 288 Abs. 1 S. 2, § 503; EGBGB Art. 247 § 7 Nr. 4, Art. 249 § 9
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.03.2023; Aktenzeichen 2-19 O 172/22) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 10. März 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-19 O 172/22, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger wenden sich mit der Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage, mit der sie die Beklagte auf Rückabwicklung zweier widerrufener Darlehensverträge in Anspruch genommen haben.
Die Parteien schlossen im Oktober/November 2013 zwei grundpfandrechtlich besicherte Darlehensverträge zur Baufinanzierung über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 74.000,00 Euro (CB-BF I) zu einem Sollzinssatz von 4,32 % p.a. sowie eines in Höhe von 50.000,00 Euro (CB-BF III) zu einem Sollzinssatz von 4,34 % p.a. (Anlage K 1, Bl. 24 ff. d. A.). Auf Seite 4 der Vertragsurkunde war eine so überschriebene "Widerrufsinformation" mit folgendem Wortlaut enthalten:
"Widerrufsrecht
Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrages oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrages oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
Bank1 AG oder E-Mail: (...)@(...).com, Straße 1, Stadt1, Telefax: ....
Besonderheiten bei weiteren Verträgen
Wenn dem Darlehensnehmer für den weiteren Vertrag ein Rückgaberecht anstelle eines Widerrufrechts eingeräumt wird, steht die Rückgabe im Folgenden dem Widerruf gleich:
- Steht dem Darlehensnehmer in Bezug auf diesen Darlehensvertrag ein Widerrufsrecht zu, so ist er mit wirksamem Widerruf des Darlehens auch an den Bausparvertrag bei der X über 50.000,00 Euro, VertragsNr. ... (im Folgenden Vertrag über Zusatzleistungen) nicht mehr gebunden, wenn der Vertrag über eine Zusatzleistung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag abgeschlossen wurde.
Widerrufsfolgen
Der Darlehensnehmer hat innerhalb von 30 Tagen das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 14,91 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurd...