Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe Vertragserfüllungs- und Mängelrechtebürgschaft
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 29.01.2015; Aktenzeichen 3 O 373/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Darmstadt vom 29.1.2015 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die Bürgschaftsurkunde Nr ... der X Versicherung AG,..., Stadt1, an diese herauszugeben.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2.792,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.1.2014 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- EUR abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstre. ckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 218.179,29 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe der Vertragserfüllungs- und Mängelrechtebürgschaft, mit der die Erbringung von Tiefbauleistungen an der Ortsdurchfahrt ... abgesichert wurde. Das Bauvorhaben um. fasste die Deckenerneuerung im Bereich der Hauptstraße (L.), die Anlage eines Kreisverkehrs sowie die Herstellung von Radwegen, Parkständen und die Erneuerung der Gehwegbeläge. Die Baulänge betrug insgesamt 4.700 m.
Die Klägerin erhielt unter dem 8.7.2011 den Zuschlag und führte in der Folgezeit die Arbeiten aus. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vertragsschlusses und der einbezogenen Regelungen wird auf Anlagen K 1-K 3 Bezug genommen. Gegenstand des zwischen den Parteien gemäß VOB/B geschlossenen Werkvertrags war auch das Regelungswerk des Handbuchs für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA/B-StB Stand 4/10, identisch mit ZVB/E-StB). In den Besonderen Vertragsbedingungen, die bereits im Angebot aufgeführt waren, war zusätzlich vereinbart, dass die Sicherheitsleistung in Abweichung von 110.1 ZVB/E-StB für Mängelansprüche 5 % der Bruttoabrechnungssumme betrage. Die Klägerin übergab der Beklagten in Ausführung der vertraglichen Regelungen eine Bürgschaft der X Versicherung AG vom 29.11.2011 über einen Betrag von 218.179,29 EUR, hinsichtlich deren Inhalt auf die Anlage K 8 Bezug genommen wird. Der Betrag machte 5 % der Auftragssumme aus.
Die Parteien streiten darüber, ob am 30.11.2012 eine Abnahme erfolgt ist und ob die der Bürgschaftshingabe zugrunde liegenden Regelungen der Ziff. 110.1-4 HVA/B-StB wirksam sind. Die Klägerin hat der Beklagten den Austausch der Vertragserfüllungsbürgschaft durch eine Gewährleistungsbürgschaft angeboten, was die Beklagte allerdings abgelehnt hat.
Die einschlägigen Klauseln lauten:
Ziff. 110.1
Sicherheit für Vertragserfüllung ist bei einem Auftrag im Offenen Verfahren oder in einer Öffentlichen Ausschreibung von mehr als 250.000,- EUR (ohne USt) in Höhe von 5 % der Auftragssumme (ohne Nachträge) zu leisten.
Ziff. 110.2
Die Sicherheit für Vertragserfüllung ist auf Verlangen des Auftragnehmers nach Abnahme gegen eine Sicherheit für Mängelansprüche in Höhe von 3 % der Abrechnungssumme auszutauschen. Sind noch festgestellte Mängel zu beseitigen, erhöht sich die Sicherheit um den zweifachen Betrag der voraussichtlichen Aufwendungen für die Mängelbeseitigung.
Ziff. 110.3
Eine nicht verwendete Sicherheit wird zurückgegeben, wenn die Verjährungsfristen für Mängelansprüche abgelaufen sind.
Ziff. 111.4
Die Bürgschaft ist über den Gesamtbetrag der Sicherheit in nur einer Urkunde zu stellen.
Das LG hat durch das angefochtene Urteil, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz und der dort gestellten Anträge Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft, da die vereinbarten Regelungen nicht zu einer Übersicherung der Beklagten geführt hätten. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft stünden nur alternativ und nicht kumulativ nebeneinander. Dem Auftraggeber seien zu keinem Zeitpunkt zwei Sicherheiten zu stellen. Der Verweis in den besonderen Vertragsbedingungen auf "110.1" statt "110.2" stelle ersichtlich einen formalen erkennbar fehlerhaften Bezug dar. Die Auffassung der Klägerin, die Regelung in 110.2 könne zu einer Übersicherung der Beklagten führen, weil die Bürgschaft auch Druckzuschläge erfassen solle, sei fernliegend, da in diesem Fall schon keine Abnahme erklärt würde. Auch die Regelungen in Ziff. 110.3 und 111.4 seien bei verständiger Auslegung nicht widersprüchlich oder intransparent. Auch die Einwendungen hinsichtlich der Formulierung der Bürgschaft selbst seien nicht durchgreifend.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen weiterverfolgt und rügt, dass das LG sich nicht ausreichend mit den aufgeworfenen Rechtsfragen beschäftigt habe. Die Kombination der verschiedenen...