Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung eines Vorkaufsrechts
Leitsatz (amtlich)
Für die Prüfung der Treuwidrigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts ist auf den Zeitpunkt und den Kenntnisstand des Vorkaufsberechtigten bei Ausübung des Vorkaufsrechts abzustellen. Das Nichteinhalten einer nach der Ausübung des Vorkaufsrechts seitens des Vorkaufsverpflichteten gesetzten Frist zur Leistung einer Anzahlung führt nicht zur Treuwidrigkeit der Ausübung. Nach der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts ist der Verpflichtete im Fall von schuldrechtlichen Pflichtverletzungen des Vorkaufsberechtigten hinreichend über die allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüche auf u.a. Schadensersatz oder Rücktritt geschützt.
Normenkette
BGB §§ 888, 1094
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.11.2021; Aktenzeichen ...) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.11.2021 teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Auflassung der Grundstücke, eingetragen im Grundbuch von Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Bl. ..., laufende Nr. 1: Flur 3, Flurstück ..., bebauter Hofraum, Straße1 mit 2068 m2, und laufende Nr. 2: Flur 3, Flurstück ..., Hof-und Gebäudefläche, Straße1 mit 9073 m2, zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2-5 und zur anschließenden Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch zu erteilen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die zweitinstanzlich erhobene Klage gegen die Beklagten zu 2-7 wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin zu tragen.
Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin 82% und die Beklagte zu 18% zu tragen.
Die außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Beklagten zu 2 -7 hat die Klägerin zu tragen.
Die außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt diese selbst.
Von den außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu 1 18% zu tragen; im Übrigen trägt die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil sowie das erstinstanzliche Urteil, soweit es bestätigt wurde, sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten zu 1 wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 1.000.000,00 EUR leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die wirksame Ausübung eines Vorkaufsrechts.
Die Klägerin betreibt bundesweit Bowlingbahnen, u.a. auf dem hier streitgegenständlichen Gelände in Stadt1/Stadtteil1, Straße1. Zu ihren Gunsten wurde im Grundbuch des Amtsgerichts Stadt1 von Stadtteil1, Bl. ..., Abteilung II laufende Nr. 4 ein Erbbaurecht eingetragen sowie ein dingliches Vorkaufsrecht. Ein Tochterunternehmen der Klägerin wollte im April 2016 die Grundstücke kaufen. Mangels rechtzeitiger Kaufpreiszahlung kam es nicht zum Vollzug.
Die Liegenschaft stand im gemeinsamen Eigentum der Beklagten zu 2-5. Diese schlossen mit der Beklagten zu 1 am 05.08.2019 einen notariellen Kaufvertrag zum Preis von 3,3 Millionen EUR (Anl. K2.). Vor der Beurkundung war eine Kaufpreisanzahlung in Höhe von 300.000 EUR auf das Notaranderkonto des beurkundenden Notars E geleistet worden. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 06.08.2019 über den Kaufvertrag informiert und um Mitteilung gebeten, ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen möchte. Die Frist betrug zwei Monate ab Erhalt des Schreibens. Die Ausübung sollte durch formloses Schreiben an den Verkäufer erfolgen (Anl. K3). Die Klägerin teilte mit an den amtierenden Notar gerichtetem Schreiben vom 04.10.2019 mit, dass sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch "machen werde". Unterzeichnet war das Schreiben von ihrem CEO, Herrn A. Mit Schreiben vom gleichen Tag informierte die Klägerin die Eigentümer des Grundstücks, dass sie vom Vorkaufsrecht Gebrauch mache gemäß dem in Kopie beigefügten Schreiben an den Notar und eine Verzichtserklärung verneine. Dieses Schreiben erfolgte "i.A." durch die Mitarbeiterin der Klägerin, Frau B.
Der amtierende Notar erstellte eine Abwicklungsurkunde, die er am 17.10.2019 der Klägerin und der Beklagten zu 1 zur Verfügung stellte. Der Beklagte zu 2 forderte zugleich mit Mail vom selben Tag die Klägerin zur Zahlung der Anzahlung auf und schlug Beurkundungstermine für die nächste Woche bis Ende Oktober vor (Anl. B2). Mit Schreiben vom 24.10.2019 setzten die Beklagten zu 2-5 eine Frist zur Einzahlung der Anzahlung bis zum 07.11.2019 (Anl. B3). Die Klägerin zahlte nicht innerhalb dieser Frist die Anzahlung ein. Mit Schreiben vom 07.11.2019 kündigte der Notar im Rahmen eines Vorbescheides an, ab ...