Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bearbeitungsgebühr aufgrund AGB für gewerbliches Darlehen
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 15.05.2015; Aktenzeichen 3 O 426/14) |
BGH (Aktenzeichen XI ZR 176/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.05.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Gießen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird in Bezug auf die Beklagte zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, Darlehensnehmer eines von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gewährten Darlehens, nimmt die Beklagte gestützt auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs vom 13.05.2014 (Az.: XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13, juris) auf Rückzahlung eines Bearbeitungsentgelts in Höhe von 1 % des Darlehensbetrages in Anspruch. Neben der Frage, ob es sich bei der betreffenden Vertragsbestimmung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (kurz: AGB) handelt, streiten die Parteien weiter darüber, ob der Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrages als Verbraucher gehandelt hat und ob die zitierte Rechtsprechung ggf. auch auf Unternehmer Anwendung findet.
Wegen Einzelheiten zum Sach- und Streitstand erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung stattgegeben und hierzu ausgeführt, die Klausel über die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Eine andere Möglichkeit der Vertragsgestaltung habe mangels Aushandels nicht zur Disposition gestanden. Diese Klausel sei als kontrollfähige Preisnebenabrede einzustufen. Sie halte einer Inhaltskontrolle nicht stand, sondern verstoße gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil die Beklagte für die Kreditbearbeitung und Kreditauszahlung anfallende Kosten nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB durch den laufzeitabhängig bemessenen Zins zu decken habe. Ein laufzeitunabhängiges Entgelt dürfe sie nicht verlangen. Vielmehr sei das darlehensvertragliche Entgelt im Interesse eines ausgewogenen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich von der Laufzeit des Vertrages abhängig. Die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 13.05.2014 (Az.: XI ZR 405/12) zu Verbraucherdarlehensverträgen angestellten Erwägungen seien auf Verträge mit gewerblichen Kunden anwendbar, zumal die Annahme eines Verhandelns des Unternehmers auf Augenhöhe mit der Bank lebensfremd sei. Vielmehr bestehe eine situative Unterlegenheit gegenüber der Bank. Auch wenn Handelsbräuche i.S.v. § 346 HGB bei der Inhaltskontrolle zu berücksichtigen seien, fehle es für Bearbeitungsentgelte im Verkehr mit gewerblichen Kunden an substantiiertem Vortrag der Beklagten. Der Rückzahlungsanspruch umfasse die gezogenen Nutzungen einschließlich der Zinsen von 3,9 % jährlich, die auf Zahlung der nicht geschuldeten Bearbeitungsgebühr entfielen.
Gegen das am 27.05.2015 zugestellte Urteil (Bl. 147 d.A.) hat die Beklagte am 11.06.2015 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit am 27.07.2015 als Fax eingegangenem Schriftsatz (Bl. 157 ff. d. A) begründet.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsstreits an das LG, hilfsweise verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie hält unter Hinweis auf diverse Gerichtsentscheidungen, die eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Unternehmer verneint haben, die Auffassung des LG für rechtsfehlerhaft. Zudem habe der Bundesgerichtshof im Urteil vom 13.05.2014, Az.: XI ZR 170/13, unter Rn. 76 explizit festgehalten, dass es Gründe geben könne, die die Klausel bei der gebotenen Interessenabwägung als angemessen erscheinen ließen. Auch eröffne § 307 Abs. 3 S. 1 BGB einen flexiblen Prüfungsmaßstab mit Wertungsspielräumen. Bei Unternehmern sei das Schutzbedürfnis wegen der zu erwartenden Geschäftserfahrenheit und
-gewandtheit gegenüber einem Verbraucher geringer. Das Inansatzbringen von Bearbeitungsentgelten im Geschäftskundenverkehr und insbesondere bei Gewährung von Bauträgerkrediten entspreche außerdem einer gängigen, seit Jahrzehnten unangefochtenen Praxis. Damit habe sich diese Klauselgestaltung zu einem Handelsbrauch verdichtet. Das Urteil des ersten Rechtszugs leide zudem an einem Verfahrensmangel, weil es seiner fehlerhaften Rechtsauffassung folgend es unterlassen habe, die von der Beklagten angebotenen Zeugen und Urkunden zu würdigen.
Der Senat ...