Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweigerung des Einsatzes eines Deckrüden innerhalb eines Hundezuchtvereins als Boykottaufruf i. S. von § 21 GWB
Leitsatz (amtlich)
›Zur Versagung einer sog. "Deckgenehmigung" für einen Rüden innerhalb der Satzung eines Hundezüchtervereins.‹
Verfahrensgang
LG Kassel (Aktenzeichen 9 O 1548/06) |
Gründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstands und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren Unterlassungsantrag gegen den Beklagten weiter. Sie meinen, die Versagung einer Deckgenehmigung gegenüber den Mitgliedern des Beklagten sei mit § 5 der Zuchtordnung des Beklagten nicht vereinbar. Sie haben behauptet, der Beklagte boykottiere sie bewusst, wodurch sie von etwa zwei Drittel des Nachfragepotentials an Deckleistungen ausgeschlossen seien und ihnen ein finanzieller Nachteil entstünde.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und erstrebt die Zurückweisung der Berufung.
Ergänzend wird wegen des Parteivortrags in zweiter Instanz auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Allerdings hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht einen Boykottaufruf im Sinne von § 21 GWB verneint. Zwar dürfte einiges dafür sprechen, die Unternehmenseigenschaft der Parteien zu bejahen. Denn auch Idealvereine wie der Beklagte können Unternehmen sein, soweit sie wirtschaftlich tätig sind und nicht nur die nicht wirtschaftlichen Anliegen ihrer Mitglieder verfolgen. Auch die Zuchttätigkeit kann als eine aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben gesehen werden, weil pro Deckakt ein Betrag von durchschnittlich 700 - 800 EUR erlöst wird und die Züchter Rüden regelmäßig und wiederholt zum Decken zur Verfügung stellen. Erst recht dürfte es sich beim Verkauf der Welpen um eine durchaus lukrative Einnahmequelle handeln, die über den rein privaten, hobbymäßigen Bereich in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle hinausgeht. Insoweit ist auch der Beklagte als Vereinigung von Unternehmern anzusehen, die nicht nur individuelle Zwecke verfolgen.
An einem Boykottaufruf fehlt es indes, wenn an abhängige oder weisungsabhängige Unternehmen eine Anweisung erteilt wird, ein anderes Unternehmen zu sperren. Kein Boykott liegt deshalb vor, wenn die Aufforderung Teil einer unternehmens- oder konzerninternen Willensbildung ist (Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 21 Rn. 3). Ähnlich liegt auch der vorliegende Fall. Der Beklagte hat nicht unabhängige Dritte aufgefordert, den Deckrüden der Kläger nicht einzusetzen, sondern gegenüber den Vereinsmitgliedern den Einsatz des Rüden mit der Begründung abgelehnt, er erfülle die nach der Zuchtordnung des Beklagten geforderten Voraussetzungen für eine Freistellung nicht. Damit handelt es sich um eine vereinsinterne Willensbildung, die die Voraussetzungen an einen Boykottaufruf nicht erfüllt.
Ein Anspruch der Kläger auf Zulassung des Rüden folgt indes aus § 826 BGB. Ein Verein ist bei der Festlegung der Zulassungsvoraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft zwar grundsätzlich frei. Selbst bei Erfüllung der Satzungsvoraussetzungen besteht wegen der Vereinsautonomie in der Regel keine Aufnahmepflicht. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise dann, wenn die Ablehnung zu einer im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und einer unbilligen Beeinträchtigung führt.
Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden. Die Kläger erstreben zwar nicht die Mitgliedschaft in dem beklagten Verein, begehren jedoch eine Zulassung ihres Zuchtrüden als Deckhund entsprechend den Satzungsmodalitäten des Beklagten, wie der Beklagte sie anderen Zuchtrüden in vergleichbarer Situation gewährt. Die Nichtzulassung des Zuchtrüden führt zweifelsfrei auch zu einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Kläger, da ihnen ein wesentlicher potentieller Nachfragemarkt verschlossen bleibt. Unstreitig gibt es neben dem beklagten Verein lediglich noch den X-Club (X), einen 1989 gegründeten Spezialverein für X als weiteren qualifizierten Zuchtverein in Deutschland. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Kläger durch das Verhalten des Beklagten von einem erheblichen Anteil des Nachfragepotentials ausgeschlossen werden. Das lässt sich feststellen, ohne dass es auf die genaue Zahl der aktiven Züchter unter den Mitgliedern des Beklagten ankommt, weil es andere Zuchtvereinigungen auf entsprechendem Niveau im Inland nicht gibt.
Die Kläger werden durch die Weigerung des Beklagten, ihren Deckrüden zuzulassen, gegenüber anderen Züchtern in sachlich nicht gerechtfertigter Weise ungleich behandelt.
§ 3 (6) der Zuchtordnung des Beklagten lautet:
Voraussetzungen für eine Zulassung zur Zucht für alle Rüden und Hündinnen
a) Der Nachweis eines bestandenen Wesenstestes nach schweizer Muster im alter von mindestens 9 Monaten (Wesenstestorden) ist Voraussetzung für eine Zuchtzulassung. Ein nicht bestandener Wesenstest kann nur durch...