Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Ersatzfähigkeit von Personenschäden, die eine Handballspielerin beim Torwurf erleidet
Leitsatz (amtlich)
1. Stoßen die Torfrau und eine Angreiferin beim Sprungwurf im Bereich des 6-Meter-Raums zusammen, kommt eine Schadenersatzverpflichtung für dabei erlittene Verletzungen der Angreiferin nur in Betracht, wenn gegen die Torfrau eine rote Karte mit Bericht entsprechend der Regelung 8.6 der Internationalen Handballregeln verhängt wird.
2. Wird lediglich eine Matchstrafe in Form einer roten Karte ohne Bericht verhängt, die sich nicht auf weitere Spielteilnahmen auswirkt und keine weiteren Sanktionen nach sich zieht, kommt eine zivilrechtliche Ersatzverpflichtung nicht in Betracht.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 02.02.2017; Aktenzeichen 27 O 297/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2.2.2017 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 8.202,84 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien waren am XX.XX.2015 Spielerinnen gegnerischer Jugendmannschaften bei einem Handballspiel. Kurz vor Schluss machte die Klägerin im Rahmen eines Tempo-Gegenstoßes einen Sprungwurf. Die Beklagte, Torfrau der Gegnerinnen, versuchte den Wurf abzuwehren. Dabei trafen beide zusammen. Die Klägerin stürzte beim Aufkommen und erlitt einen Kreuzbandriss im linken Knie. Der Schiedsrichter, der Zeuge A, erteilte der Beklagten eine rote Karte, allerdings ohne Bericht, so dass diese lediglich für das fragliche Spiel weiter gesperrt war. Die Klägerin wurde operiert und führte von Oktober 2015 bis Mai 2016 Krankengymnastik durch. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kann sie dauerhaft nicht mehr Handball spielen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz verlangt. Sie hat behauptet, die Beklagte sei weit aus dem Torraum herausgekommen und habe die Klägerin angesprungen. Die Beklagte hat behauptet, sie sei in ihrem Raum geblieben und habe lediglich einen so genannten Hampelmann als Abwehrbewegung gemacht.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A, der zwischenzeitlich verstorben ist, und hat anschließend der Klage durch das angefochtene Urteil, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz und der dort gestellten Anträge Bezug genommen wird, weitgehend stattgegeben. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die Verletzung schuldhaft erfolgt sei. Es hat sich auf die Aussage des Schiedsrichters gestützt und festgestellt, dass der hinzunehmende Bereich der gebotenen Härte überschritten worden sei. Der Regelverstoß der Beklagten sei als erheblich und auch als ungewöhnlich anzusehen. Eine rote Karte auch ohne Bericht sei nicht als üblicher Regelverstoß zu bewerten.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen weiterverfolgt.
Nachdem die Parteien zunächst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht auf weitere Zeugen verzichtet hatten, hat die Beklagtenseite nunmehr erneut Zeugen dafür benannt, dass der Schiedsrichter sich geirrt habe. Es habe überhaupt gar keinen Kontakt gegeben und der Schiedsrichter habe die rote Karte wegen vermeintlichen Nachtretens gegeben. Dieser habe den Vorfall überhaupt nicht sehen können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2.2.2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes in zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, überreichten Unterlagen und die Erörterungen in den mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und dessen Erläuterung. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten und die mündliche Erläuterung Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte vorliegend dermaßen grob regelwidrig gehandelt hat, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 823 BGB in Betracht käme.
Das Landgericht hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass bei Kampfsportarten bestimmte Verletzungen nicht zum Schadensersatz berechtigen. Die mutmaßliche Einwilligung umfasst auch geringfügige Regelverstöße sowie Verletzungen, die aus sportlichem Übereifer oder Übermüdung entstehen. Das Landgericht hat weiter...