Entscheidungsstichwort (Thema)
Gutschein vom Reiseveranstalter statt Stornierung
Leitsatz (amtlich)
Bietet ein Reiseveranstalter seinen Kunden eine Umbuchung einer pandemiebedingt nicht durchführbaren Reise an, ohne ausdrücklich auf die Möglichkeit der Stornierung gegen Rückerstattung des Reisepreises hinzuweisen, ist dies nicht unlauter, solange der Verbraucher nicht über den optionalen Charakter des Angebots getäuscht wird.
Normenkette
BGB § 651h Abs. 3; UWG § 4a Abs. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 7, § 5a Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.08.2021; Aktenzeichen 2-6 O 299/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 6.8.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Parteien streiten über einen pandemiebezogenen Kundenhinweis auf der Homepage der Beklagten.
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin, die Verbrauchern die Möglichkeit bietet, online Pauschalreisen über ihre Website www.(...).de zu buchen. Vom 28.5.2020 bis zum 8.7.2020 befand sich auf der Internetseite der Beklagten unter dem Link "Aktuelle Corona-Informationen finden sie hier" ein Hinweis, dass die Beklagte wegen vieler Anfragen schwer erreichbar sei. Gäste mit Abreise bis 30. Juni 2020 würden in der Reihenfolge ihrer Abreise unaufgefordert kontaktiert. Das Team erarbeite gerade alternative Angebote für Reisen im nächsten Jahr. Weiter heißt es: "Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Traumreise mit X um ein Jahr verschieben ..." Ferner bittet die Beklagte darum, aktuell von Rückfragen abzusehen, "bis das Schreiben bei Ihnen ist". Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2, Bl. 12-14 d.A. Bezug genommen.
Der Kläger ist der Ansicht, durch diese Hinweise würden Kunden davon abgehalten, ihre Reise gegen Rückerstattung des Reisepreises zu stornieren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen diese Beurteilung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
I. die Beklagte zu verurteilen [Unterlassung]
es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen,
auf der Internetseite www.(...).de für den Fall einer Stornierung oder Absage von Pauschalreisen aufgrund der Corona-Krise lediglich auf die Option einer Umbuchungsmöglichkeit einfach und klar hinzuweisen, ohne auf die Option der Rückzahlung hinzuweisen,
wenn dies geschieht wie in Anlage K2 wiedergegeben
II. die Beklagte zu verurteilen [Beseitigung]
ihre Internetseite www.(...).de dahingehend zu berichtigen, dass Kunden in den Informationen zu abgesagten oder stornierten Reisen aufgrund der Coronakrise auch den Hinweis erhalten, dass sie einen Rückerstattungsanspruch haben und die Möglichkeit einer Umbuchung lediglich alternativ oder optional eingeräumt wird.
III. die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Unterlassungsantrag ist - nach der im Senatstermin vorgenommenen Konkretisierung - hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 ZPO.
2. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung nach Anlage K2 aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 651h Abs. 3 BGB zu.
a) Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert. Er ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei § 651h Abs. 3 BGB um eine Marktverhaltensregelung handelt. Dies dürfte aber der Fall sein. Die Bestimmung regelt den Rücktritt vom Reisevertrag und ist dem Reisevertragsrecht zuzuordnen. Zum Marktverhalten gehört neben dem Angebot von und der Nachfrage nach Waren oder Dienstleistungen auch der Abschluss und die Durchführung von Verträgen (BGH GRUR 2021, 863 Rn. 14 - Nutzungsentgelt für bargeldlose Zahlu...