Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentarische Erbfolge
Leitsatz (redaktionell)
Derjenige, der sich auf einen anderweitigen Testierwillen beruft, als den, der sich im Zweifel aus der Vermutung des § 2257 BGB ergibt, trägt hierfür die volle Beweislast.
Normenkette
BGB § 2184 Abs. 2, §§ 2253-2254, 2256-2257
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 19.01.1994; Aktenzeichen 2 O 500/93) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 19.01.1994 abgeändert.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen Zahlung von DM 11.775,00 DM das Hausgrundstück … Flur … Flurstück … Hof- und Gebäudefläche, … eingetragen im Grundbuch von … Band … Blatt … an die Klägerin herauszugeben und es zum Alleineigentum der Klägerin aufzulassen.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin DM 56.404,24 nebst 4 % Zinsen seit dem 03.09.1993 zu zahlen.
Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin DM 12.708,96 nebst 4 % Zinsen seit dem 09.09.1993 zu zahlen.
Im übrigen werden die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind von der Beklagten zu 1) zu 84 %, von der Beklagten zu 2) zu 13 %, von der Beklagten zu 3) zu 3 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten zu 1) bzw. 2) bzw. 3) dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 400.000,00 DM bzw. 60.000,00 DM bzw. 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische und unbefristete Bürgschaften eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen Kreditinstituts erbracht werden.
Die Beklagte zu 1) ist mit 375.000,00 DM beschwert,
die Beklagte zu 2) mit 56.404,24 DM,
die Beklagte zu 3) mit 12.708,96 DM.
Tatbestand
Die Parteien sind die Töchter der im Jahre 1970 verstorbenen Frau … geb. … sie sind auch deren Erbinnen. Ausgehend von der Annahme, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten, hatten sich die Parteien im Jahre 1978 teilweise über den Nachlaß auseinandergesetzt, und im Jahre 1984 hatten sie auf derselben Grundlage weitere Verfügungen vorgenommen. Nachdem später – im Jahre 1992 – ein Testament aus dem Jahre 1949 vorgefunden wurde, welches ein Vorausvermächtnis betreffend eine Hofreite zugunsten der Klägerin enthielt, beansprucht die Klägerin nun den Vollzug des Testamentes.
Die Großeltern der Parteien mütterlicherseits hatten das Hausgrundstück … (heute: …) – Hofreite –in … bewohnt; dieses Grundstück stand entweder – so behauptet es die Klägerin – im Alleineigentum des Großvaters, oder es stand – so behaupten es die Beklagten – in seinem und der Großmutter Miteigentum zu je 1/2. Der Großvater verstarb im Jahre 1939, ohne ein Testament errichtet zu haben. Die Großmutter verstarb im Jahre 1948; sie hatte mit notariellem Testament vom 07.04.1946 – Bl. 50 f. d.A. – ihre vier Enkelinnen – die Parteien dieses Rechtsstreits – zu ihren Erbinnen bestimmt und ihrer Tochter – der Mutter der Parteien – den lebzeitigen Nießbrauch an der Hofreite … eingeräumt.
Mit notariellem „Erbteilungsvertrag mit Auflassung” vom 18.03.1954 – Bl. 55–61 d.A. – setzten sich die Beteiligten über den Nachlaß der Großeltern der Parteien – der Eltern ihrer Mutter – auseinander. Die Hofreite … in … sollte die Mutter zu Alleineigentum erhalten; entsprechend wurde die Auflassung erklärt, und die Mutter wurde später als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen.
In der Zwischenzeit seit dem Tode der Großmutter hatte die Mutter der Parteien mehrere Testamente errichtet und beim Amtsgericht Lampertheim hinterlegt, nämlich ein notarielles Testament vom 31.10.1949 – Bl. 13–15 d.A. –, ein notarielles Testament vom 24.03.1953 – Bl. 291–293 d.A. – und ein notarielles Testament vom 23.06.1953 – Bl. 289 f. d.A. –.
Im Testament vom 31.10.1949 war u. a. festgehalten worden:
„I.
Als Erbin meines dereinstigen Nachlasses setze ich ein meine vier Kinder … und zwar zu gleichen Teilen.
…
VI.
Die Hofreite in der … soll meine Tochter allein erhalten, zum Anschlagspreise von 8.000,– DM. Sie ist verpflichtet, an ihre Schwester … 4.000,– DM … herauszuzahlen …
VII.
Der mir zustehende Anteil an der Hofreite … soll und … zu je 1/2 zum Anschlagspreis von 6.000,– DM erhalten.
…
IX.
Meine Tochter … soll verpflichtet sein, meinen Ehemann in gesunden und kranken Tagen zu pflegen und zu verpflegen …
X.
Als. Ausgleich hierfür soll meine Tochter … das vorhandene … landwirtschaftliche Inventar erhalten …
XII.
Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, daß mein elterliches Vermögen im Sinne der von mir getroffenen Bestimmungen und dem Zweck unserer Familientradition als Bauern erhalten bleibt. …”
Der Errichtung dieses Testaments war die Heirat der (nunmehrigen) Klägerin mit einem Landwirt vorausgegangen; sie bewirtschaftete von nun an gemeinsam mit ihrem Ehemann dessen Bauernhof. Der elterliche Hof wurde weiterhin von der Mutter der Parteien gemeinsam mit ihrem Ehemann – dem Vater der Parteien – geführt; die Eltern überl...