Leitsatz (amtlich)
Zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung einer AG, die die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates betreffen.
Normenkette
AktG § 120
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.04.2004; Aktenzeichen 3-9 O 107/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.4.2004 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Die Klägerin ficht als Aktionärin die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.6.2003 zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat hinsichtlich des Geschäftsjahres 2002 an, weil aus einem Engagement der Beklagten beim Bau eines weiteren Terminals am Flughafen von O1 im Jahresabschluss 2002 eine Wertberichtigung um ca. 348 Mio. EUR geboten war und vorgenommen wurde, für die sie die vorgenannten Organe als verantwortlich sieht.
Die Beklagte erwarb 1999 Anteile an einer O2 Gesellschaft, die eine Konzession zum Bau des Terminals erteilt erhalten hatte. Vor dem Erwerb wurde von der Beklagten u.a. eine rechtliche Überprüfung der Konzession veranlasst, ("Legal-Due-Diligence-Bericht"). Dieses Gutachten lag dem Vorstand und dem Aufsichtsrat vor. Im Mai 2003 wurde die Konzession vom Obersten Gerichtshof der O2 für nichtig erklärt, woraus sich bei der Beklagten die Notwendigkeit der Wertberichtigung ergab.
Die Klägerin hat mit der am 23.7.2003 anhängig gemachten und demnächst zugestellten Klage behauptet, der rechtliche Prüfungsbericht habe ergeben, dass die Verträge zur Konzession wegen Verstoßes gegen O2 Recht nichtig bzw. anfechtbar seien. Der Vorstand der Beklagten habe keine geeigneten Maßnahmen für eine Risikoüberwachung geschaffen, durch die besondere Risiken hinsichtlich der Konzession hätten erkannt werden können. Vorstand und Aufsichtsrat sei aus dem Rechtsgutachten bekannt gewesen, dass die Verträge anfechtungs- bzw. nichtigkeitsgefährdet gewesen seien. Später hat die Klägerin die Anfechtung auf weitere Sachverhalte gestützt (unterlassenes Risikomanagement zur späteren Schadensbegrenzung, Gewährung ungesicherter Finanzhilfen an O2 Unternehmen, unterlassene Information in den Hauptversammlungen der Jahre 2000 bis 2002, fehlende Rückstellung für Prospekthaftungsklagen, fehlende Rückstellungen für Brandschutzeinrichtungen, unterlassene Schadensersatzbeanspruchung des Aufsichtsrates beim Vorstand).
Die Klägerin hat beantragt, die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.6.2003, durch welche die Entlastung des Vorstands (Punkt 2 der Tagesordnung) und des Aufsichtsrats (Punkt 3 der Tagesordnung) erteilt wurden, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin wegen eines bereits vor der Beschlussfassung eingelegten generellen Widerspruchs nicht anfechtungsbefugt sei und dass zum Beteiligungsprojekt vorgeworfene Verhalten nicht im Geschäftsjahr 2002 erfolgt sei, das den Gegenstand der Entlastung darstelle. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 483 bis 494 d.A.).
Die Berufung der Klägerin betont die Zulässigkeit eines generellen Widerspruchs bereits vor der Beschlussfassung und wiederholt die Ansicht, dass bei einem sich in späteren Perioden auswirkenden früheren Verhalten der zu entlastenden Organe Entlastung noch bei Eintritt der Folgen verweigert werden könne.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.6.2003, durch welche die Entlastung des Vorstands (Punkt 2 der Tagesordnung) und des Aufsichtsrates (Punkt 3 der Tagesordnung) erteilt wurden, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das Urteil.
II. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil das angefochtene Urteil nicht auf einem Rechtsfehler beruht (§ 513 Abs. 1 1. Alt. ZPO). Denn es ist im Ergebnis zutreffend. Von der erstinstanzlichen Vortragslage abweichende Tatsachen des Berufungsverfahrens rechtfertigen ebenfalls keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. ... Alt. 2 ZPO).
Die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 25.6.2003 zur Entlastung des gesamten Vorstands und Aufsichtsrats sind nicht anfechtbar, weil sie weder Satzungsbestimmungen noch Gesetze verletzten.
Eine Verletzung des § 120 Abs. 2 AktG ergibt sich nicht, weil die Billigung der Verwaltung durch die vorgenannten Organe nicht außerhalb des Ermessenspielraums der Hauptversammlung erfolgte, nämlich nicht einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß der Organe deckte (vgl. BGH v. 25.11....