Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Schmerzensgeldes und des Haushaltsführungsschadens; Voraussetzungen des Feststellungsantrags für zukünftige Schäden
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist zu Plausibilisierung der Höhe die Dauer der Beeinträchtigung zu berücksichtigen, wobei der Senat von einem Tagessatzsystem ausgeht.
2. Bei der Bewertung des Haushaltsführungsschadens können zur gerichtlichen Überprüfung der dargelegten Beeinträchtigung statistische Tabellen herangezogen werden. Der Stundensatz beträgt bei fiktiver Abrechnung bei einem gehobenen Haushalt mit besonderen Aufwendungen 10,- EUR. Für die Zeit des Krankenhausaufenthalts sind 20 % Ersparnis angemessen.
3. Nach den Grundsätzen der Einheitlichkeit der Schmerzensgeldbemessung ist für die Feststellung der Ersatzfähigkeit zukünftiger immaterieller Schäden in der Regel kein Raum, da solche grundsätzlich bei der Bemessung des Schmerzensgeldbetrags zu berücksichtigen sind. Der Feststellungsantrag ist im Übrigen auch dann zulässig, wenn bereits Schäden bezifferbar sind.
Normenkette
BGB § 249; StVG § 7
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 21.08.2019; Aktenzeichen 4 O 122/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.08.2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt, Az.: 4 O 122/17, teilweise wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.641,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.551,56 EUR seit dem 23.04.2017 und aus 6.648,00 EUR seit dem 30.06.2017 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger monatlich jeweils zum Ersten des Folgemonats ab dem 01.08.2019 bis einschließlich 31.12.2020 143,92 EUR zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen Schäden, die ihm aus dem Verkehrsunfall mit dem Versicherungsnehmer der Beklagten, Herrn A, am 20.07.2016 in Stadt1 entstanden sind bzw. noch entstehen werden zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder Dritten übergegangen ist oder übergehen wird.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Kosten der Kanzlei B Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Straße1, Stadt2, in Höhe von 565,85 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 330.307,32 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der am XX.XX.1972 geborene Kläger begehrt Schmerzensgeld und Schadensersatz (u. a. Haushaltsführungsschaden, Verdienstausfall, weitere materielle Schäden) nach einem Verkehrsunfall, der sich am 20.07.2016 ereignete. Ferner soll festgestellt werden, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden, die entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen. Im Übrigen begehrt der Kläger die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Der Kläger befuhr am 20.07.2016 mit seinem Fahrrad die Bundesstraße B 426. Er war auf dem Weg zur Arbeit. Das zum Zeitpunkt des Unfalls bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug, welches von Herrn A gefahren wurde, erfasste den Kläger von hinten, wodurch er zu Fall kam.
Der Kläger erlitt Kompressionsfrakturen des LWK 1 und LWK 2. Am 26.07.2016 erfolgte im Klinikum1 eine dorsale Spondylodese BWK 12/LWK 1 auf LWK 3 mit Schrauben. Er befand sich vom 20.07.2016 bis zum 30.07.2016 in stationärer Behandlung. Ferner zeigte sich laut Arztbericht des Klinikum1 vom 28.07.2016 am 21.07.2016 ein deutliches Knochenödem im LWK 2 sowie im Bereich der Deckplatte LWK 1, eine Einblutung in das ventrale Längsband LWK 1/LWK 2 und eine leichte Einblutung in die Bandscheibe. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Arztberichts vom 28.07.2016 (Bl. 71 - 77 d. A.) verwiesen.
Am 31.05.2017 erfolgte eine weitere Operation im Klinikum1. Hierbei wurden dem Kläger die Schrauben entfernt. Der stationäre Aufenthalt dauerte vom 30.05.2017 bis zum 02.06.2017. Auf den Arztbericht des Klinikums1 vom 01.06.2017 (Bl. 212 - 213 d. A.) wird verwiesen.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen mit Urteil vom 21.08.2019 unter Abweisung im Übrigen der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 21.911,08 EUR nebst Zinsen und zur Zahlung eines monatlichen Betrages in Höhe von 143,92 EUR ab dem 01.08.2019 bis einschließlich 31.12.2020 verurteilt. Ferner hat das Landgericht festge...