Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung durch Sicherheitskraft begangener vorsätzlicher Körperverletzung auf Konzertveranstalter (hier: Sportverein)
Leitsatz (amtlich)
Die Begehung einer vorsätzlichen Körperverletzung durch eine von einem örtlichen Verein für eine Konzertveranstaltung beauftragte Sicherheitskraft steht nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Tätigkeit, wenn diese ohne ersichtlichen Grund oder Provokation erfolgt und auch ein außenstehender Beobachter die Tätigkeit nicht als Teil der übertragenen Aufgabe auffasst.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 278, 823 Abs. 1, § 831
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 31.10.2022; Aktenzeichen 4 O 1305/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 2. wird das am 31.10.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau teilweise abgeändert und die Klage gegen den Beklagten zu 2. insgesamt abgewiesen.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz haben der Kläger zu 67 % und der Beklagte zu 1. zu 33 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. erster Instanz hat der Kläger zu 33 % zu tragen, im Übrigen hat sie der Beklagte zu 1. selbst zu tragen. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 60 % und der Beklagte zu 1. zu 40 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. im Berufungsverfahrens hat dieser selbst zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 155.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um immateriellen und materiellen Schadensersatz infolge einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der der Kläger schwer verletzt wurde.
Der Beklagte zu 2., ein Sportverein, veranstaltete jährlich am Abend des 1. Weihnachtstags im Gemeindezentrum in Stadt1 den sog. "Weihnachtsrock", eine Veranstaltung, bei der eine Rockband auftritt und für die Eintritt verlangt wird.
Der Beklagte zu 2. erhielt für das Jahr 2011 von der Gemeinde die Auflage, durch Sicherung des Zugangs und Überwachung der Ordnung im Saal die Sicherheit im Veranstaltungssaal zu gewährleisten. Hierzu fragte das Vereinsmitglied A seinen Schwager, den Zeugen B, der Erfahrung im Sicherheitsbereich hatte, ob dieser die Aufgabe übernehmen könne. Dieser sagte zu und rekrutierte jedenfalls die Zeugen C und D als weitere Sicherheitskräfte für die Veranstaltung. Eine Bezahlung erhielten die Sicherheitskräfte nicht, aber Freigetränke und eine Einladung zu einem späteren Helferfest.
Am 26.12.2011 gegen 2:55 Uhr war der zu diesem Zeitpunkt 24-jährige Kläger auf dem neben dem Gemeindezentrum befindlichen Parkplatz in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt, deren Einzelheiten im Wesentlichen streitig sind.
Unstreitig ist, dass auf dem Parkplatz zunächst eine Schlägerei stattfand, an welcher weder der Kläger noch der Beklagte zu 1. beteiligt waren. Die Zeugin E lief daraufhin zum Gemeindezentrum, um Hilfe zu holen, woraufhin sich der Beklagte zu 1., der Zeuge D und der Zeuge F - ein Besucher der Veranstaltung - zum Parkplatz begaben. Unabhängig davon wurde der Kläger von dem Zeugen G, welcher in die Schlägerei verwickelt war, telefonisch kontaktiert und ebenfalls um Hilfe gebeten. Der Kläger begab sich daraufhin zum Parkplatz, wobei er einen hölzernen Axtstiel in der Hand hielt. Die Schlägerei war indes zu dem Zeitpunkt, als die zur Hilfe gerufenen Personen eintrafen, bereits beendet.
Ebenfalls im Ausgangspunkt unstreitig ist, dass der Zeuge D und der Beklagte zu 1. den Kläger mit dem Axtstiel in der Hand wahrnahmen. Der Beklagte zu 1. fixierte den Kläger daraufhin am Kofferraum eines parkenden Pkw, während der Zeuge D diesem den Axtstiel abnahm. Streitig ist, ob und in welchem Umfang der Beklagte zu 1. hierbei Gewalt angewandt hat. Weiter ist unstreitig, dass der Zeuge H zu diesem Zeitpunkt in die Situation zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1. eingriff und es daraufhin zu einer weiteren Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten zu 1. und dem Zeugen H kam, die sich ein Stück weit vom Kofferraum des parkenden Pkw weg in Richtung von dessen Fahrertür verlagerte. Am Ende des Geschehens lag der Kläger am Boden. Er erlitt einen Schädelbasisbruch mit Schädelhirntrauma 3. Grades und Hirnblutungen.
Wegen der Details des Verlaufs der ärztlichen Heilbehandlung und der heute noch verbliebenen Beeinträchtigungen des Klägers wird auf die umfassende Darstellung im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (ab Seite 3) verwiesen.
Mit Urteil des Amtsgerichts...