Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsschließung wegen COVID-19 nicht durch Betriebsschließungsversicherung abgedeckt

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 27.10.2021; Aktenzeichen 26 O 653/20)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 31.05.2023; Aktenzeichen IV ZR 402/22)

 

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 06.09.2022 wird aufrechterhalten.

2. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie.

Der Kläger betreibt ein Wellness-Hotel mit etwa 90 Zimmern, wozu auch Schwimmbäder, Saunen, Fitness-Bereiche sowie Bereiche für nichtmedizinische Massage und Physiotherapie und für Freizeitaktivitäten im Rahmen körperlicher Betätigung gehören.

Der Kläger unterhält seit dem 01.09.2003 mit Änderung mit Wirkung zum 07.11.2019 bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung zur Versicherungsscheinnummer ... (Anlage K 1/4 - Bl. 13 d.A.). Für den Versicherungsfall der Schließung infolge einer Infektionsgefahr ist eine Tagesentschädigung in Höhe von 50.000,- EUR vorgesehen, wobei eine Entschädigungsleistung bis zu einer maximalen Dauer von 30 Schließungstagen vereinbart ist. Dem Versicherungsverhältnis liegen insbesondere die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung - Stand 01.01.2019 (AVB-BS, Anlage K1/10, Bl. 24 ff. d.A.), die besonderen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung - Stand 01.01.2019 (BBR-BS, Anlage K1/6, Bl. 17 d.A.) und das Produktinformationsblatt zur Betriebsschließungsversicherung wegen Infektionsgefahr (Anlage K1/7, Bl. 18 f. d.A.) zugrunde.

§ 1 AVB-BS unter der Überschrift "Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren" lautet auszugsweise wie folgt:

"1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetzt - IfSG1) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt (...);

(...)

2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

a) Krankheiten

  • (...)

b) Krankheitserreger

  • (...)"

Die Buchstaben a) und b) enthalten die Aufzählung von 18 Krankheiten und 49 Krankheitserregern. Nicht genannt sind die Krankheit COVID-19 und der Krankheitserreger SARS-CoV-2.

In der Fußnote 1 zu § 1 Abs. 1 HS 1 AVB-BS heißt es: "Auf Wunsch werden Auszüge zu den genannten Gesetzestexten zur Verfügung gestellt."

In § 3 der AVB-BS sind Ausschlüsse geregelt. Hier heißt es wie folgt:

"4. Krankheiten und Krankheitserreger

Der Versicherer haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf."

Ziffer 2 der BBR-BS lautet unter der Unterschrift "Erweiterungen meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger":

"Zusätzlich zu den in § 1 Ziff. 2 AVB-BS genannten Krankheiten und Krankheitserregern gelten darüber hinaus auch die folgenden Krankheiten des alten Bundes Seuchenschutz Gesetz von 1962 als ebenfalls mitversichert:

  • Keuchhusten
  • (...)"

Wegen der Einzelheiten der AVB-BS, der BBR-BS und des Produktinformationsblatts wird auf die Anlagen K1/10 (Bl. 24 ff. d.A.), K1/6 (Bl. 17 d.A.) und K1/7 (Bl. 18 f. d.A.) verwiesen.

Im März 2020 teilte die Beklagte auf ihrer Website mit:

"Am 01.02.2020 wurde der Corona-Virus als meldepflichtige Krankheit im IfSG mit aufgenommen. Da wir u.a. Krankheiten nach §§ 6 und 7 des IfSG versichert haben, gilt eine Betriebsschließung durch eine Behörde aufgrund des Corona-Virus im Rahmen unserer Bedingungen als mitversichert."

Am 22.03.2020 wurde für das Land Brandenburg eine Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus veröffentlicht, wonach ab dem 23.03.2020 bis zum 19.04.2020 u.a. Einrichtungen, die Freizeitaktivitäten anbieten, für den Publikumsverkehr zu schließen waren (§ 3 Abs. 4), der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimmbädern, Fitnessstudios u.a. sowie der Betrieb von Thermen, Wellnesszentren und ähnlichen Einrichtungen untersagt (§ 4 Abs. 1), die Schließung von Gaststätten für den Publikumsverkehr angeordnet (§ 6 Abs. 1) und den Betreibern von Beherbergungsstätten die Beherbergung von Personen zu touristischen Zwecken untersagt wurde (§ 6 Abs. 5). Mit Verordnung vom 17.04.2020 wurden diese Maßnahmen bis zum ...

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