Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsschließungsversicherung: wirksamer Ausschluss von Corona-Folgen

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 02.08.2021; Aktenzeichen 28 O 40/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 02. August 2021 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von Feststellungen zur Tatsachengrundlage wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils (§ 538 Abs. 1 ZPO) und zur Abweisung der Klage.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus der abgeschlossenen Betriebsschließungsversicherung zu. Die streitgegenständliche Betriebsschließung aufgrund der sechsten Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg zur Änderung der Corona-Verordnung vom 01.11.2020 (Anlage K 4- Bl. 23 ff. d.A.) und der konsolidierten Fassung der Corona-Verordnung gültig ab dem 02.11.2020 (Anlage K 5-Bl. 26 ff. d.A.) ist kein von den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen des § 1 Nr-1 a) i.V.m. § 2 Nr. 3 a) AVB- BS (2019) erfasster Versicherungsfall.

1. Ausweislich des Versicherungsscheins (Anlage K 1- Bl. 11 f. d.A.) sind die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr beim Menschen (Betriebsschließung) - AVB-BS, Stand 01.01.2019 (Anlage K 2- Bl. 13 ff. d.A.) Bestandteil des Versicherungsvertrags der Parteien geworden.

Nach § 1 Nr. 1 a) AVB- BS (2019) besteht Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werden. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger ergeben sich aus dem Katalog in § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS (2019), der abschließend ist und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 aufführt.

Krankheiten und Erreger, die in diesen Listen nicht enthalten sind, wären daher selbst dann nicht in den Versicherungsschutz einbezogen, wenn sie in den §§ 6 und 7 IfSG aufgeführt wären (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2022 - IV ZR 144/21 -, juris, 1.LS, Rn. 10 und Rn. 13).

Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.01.2022 (IV ZR 144/21 - juris) in einem dem hiesigen Sachverhalt vergleichbaren Fall mit insoweit identischen Versicherungsbedingungen entschieden. Das Gericht schließt sich dieser Entscheidung an.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (st. Rspr., zuletzt BGH, Urteil vom 14. Juli 2021 - IV ZR 153/20 -, juris, Rn. 11).

b) Die Aufzählung der vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Nr. 2 a) und b) AVB-BS (2019) ist abschließend. Die Klausel enthält insoweit keine Verweisung auf §§ 6 und 7 IfSG. Das ergibt eine Auslegung der Klausel nach objektivem Empfängerhorizont.

Der Wortlaut der Klausel gibt keinen Hinweis auf eine lediglich beispielhafte Auflistung. Der Regelung in § 1 Nr. 2 AVB-BS (2019) hätte es nicht bedurft, wenn die Beklagte alle nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger mit ihrem Leistungsversprechen hätte erfassen wollen. Einer Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bedarf es daher nicht (BGH, Urteil vom 26. Januar 2022 - IV ZR 144/21 -, juris, Rn. 15 ff.).

Der Wortlaut des § 1 Nr. 2 AVB-BS (2019) ist eindeutig.

Mit der Formulierung "im Sinne dieser Bedingungen" und insbesondere der anschließenden Begrenzung auf "die folgenden" detailliert aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Nr. 2 AVB-BS (2019) wird der (begrenzte) Umfang des Versicherungsschutzes für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer klar und deutlich bestimmt, ohne dass er etwa ergänzend die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes prüfen müsste. Das Wort "folgenden" ist in § 1 Nr. 2 AVB-BS (2019) durch Fettdruck sogar explizit hervorgehoben worden. Die anschließende umfangreiche Aufzählung von Krankheitenund Krankheitserregern in Buchstabe a) und b) wir ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer daher als abschließend und nicht etwa als reine Information über den Inhalt des Infektionsschutzgesetzeserachten (vgl. BGH, Urte...

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