Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelbare Herkunftstäuschung beim Vertrieb von "Plastikuhren"
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vertrieb der Nachahmung einer "Plastikuhr" kann trotz markenähnlicher Kennzeichnung eine mittelbare Herkunftstäuschung auslösen, wenn dem Verkehr bekannt ist, dass z.B. für Mode- und Sportartikelhersteller Uhren in Lizenz hergestellt werden und Kooperationen mit Künstlern im Uhrenmarkt nicht unüblich sind.
2. Zwei Abmahnungen desselben Verletzers wegen Nachahmung desselben Uhrenmodells auf einer Internetplattform können dann eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG darstellen, wenn die nochmalige Überprüfung des Angebots des Verletzers sich noch als Folge der ersten Verletzung darstellt. Dem steht auch nicht ein zeitlicher Abstand von fast zwei Monaten entgegen.
Normenkette
RVG § 15 Abs. 2; UWG § 4 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.11.2020; Aktenzeichen 2-6 O 78/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.11.2020 abgeändert.
1. Die Beklagte wird verurteilt, es - bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer - zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr
a) Uhren mit einer Gestaltung gemäß den nachfolgenden Abbildungen A1.1 - A5
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
A1.1 |
A 1.2 |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
A 2.1 |
A 2.2 |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
A 3 |
A 4 |
A 5 |
und/oder
b) Uhren mit einer Gestaltung gemäß den nachfolgenden Abbildungen B1.1 - B6.2
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
B 1.1 |
B 2.1 |
B 3.1 |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
B 1.2 |
B 2.2 |
B 3.2 |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
B 4.1 |
B 5.1 |
B 6.1 |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
B 4.2 |
B 5.2 |
B 6.2 |
anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den Handlungen gemäß Klageantrag zu Ziffer I. entstanden ist und/oder entstehen wird.
3. Die Beklagte wird verurteilt, hinsichtlich Handlungen gemäß Ziffer I. Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe
a) des Namens und der Adresse des Herstellers;
b) des Namens und der Adresse Lieferanten;
c) der Namen und Adressen sonstiger Vorbesitzer;
d) der Menge der hergestellten, bestellten, erhaltenen und ausgelieferten Erzeugnisse;
e) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Artikelbezeichnungen oder -codes);
f) der Verkaufsmengen, Verkaufszeiten und Verkaufspreise;
g) der Namen und Adressen der gewerblichen Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;
h) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Artikelbezeichnungen oder -codes) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
i) des erzielten Umsatzes, abzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer;
j) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
k) der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
dies alles unter Vorlage gut lesbarer Kopien der jeweils relevanten Belege.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 3.486,60 EUR nebst hieraus Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 8.5.2020 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe 400.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Der Gebührenstreitwert für den Rechtsstreit in erster Instanz wird auf 600.000 EUR, der für das Berufungsverfahren auf 400.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin vertreibt seit dem Jahr 1983 international und in Deutschland aus Kunststoff hergestellte Uhren der Marke Swatch, die gemeinhin - zuweilen auch von der Klägerin - als "Plastikuhren" bezeichnet werden. Solche wurden seit 1983 unter der Modellserienbezeichnung "GENT" vertrieben, und zwar beispielhaft in folgender Gestaltung.
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung))(Grafische Darstellung Seitenansicht) |
|
|
Die "GENT" wurde in verschieden Designvarianten vertrieben, wie z.B.:
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
((Abbildung)) |
Der Vertrieb der Modellserie "GENT" erfolgt bis heute. Die Uhren sind ab einem Preis in Höhe von 63 EUR erhältlich. Die Klägerin arbeitete hinsichtlich der farblichen Gestaltungen der Uhren auch mit zeitgenössischen Künstlern zusammen, wie A etc. Die Klägerin betreibt in Deutschland 99 Swatch-Stores, u.a. auch in Stadt1. Swat...