Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung wegen eines polizeilichen Ausreiseverbots
Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang der Entschädigung bei polizeilicher Untersagung der Ausreise (Kosten der verfallenen Flugtickets und des Hotels am Urlaubsort).
Normenkette
BPolG §§ 20, 51 Abs. 1 Nr. 1, § 52
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 28.08.2017; Aktenzeichen 2-4 O 399/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 28.08.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.684,50 EUR zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen Vorname1 Nachname1, Gemeinde1, wegen rechtswidrigen Widerrufs der Zustimmung zur Land1-Reise auf Ersatz des Schadens bezüglich entstandener Kosten für die Reise nach Land1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 262,99 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.10.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz haben der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die beklagte Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: Beklagte) auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Maßnahme der Bundespolizei am Stadt1er Flughafen in Anspruch.
Der Kläger ist der Vater des minderjährigen Kindes Vorname2 Nachname1. Die Eltern sind geschieden. Sie haben die gemeinschaftliche elterliche Sorge, wobei ein sog. Wechselmodell ohne vorrangigen Obhutselternteil besteht. Das Kind verbringt immer einen Tag bei der Mutter und einen beim Vater im Wechsel, die Ferien sind hälftig geteilt. Die Kindesmutter erteilte einen Monat vor einer geplanten Urlaubsreise nach Vorname2 Nachname1 ihr Einverständnis dazu, dass der Kläger und seine neue Lebensgefährtin nebst Tochter zusammen mit Vorname2 die Reise antreten. Am 12.08.2016 erfolgte das planmäßige Boarding. Während dieser Zeit rief die Kindesmutter bei der Beklagten an und untersagte die Reise für Vorname2. Die Beklagte wies darauf hin, dass eine schriftliche Willenserklärung, ggf. in Form eines richterlichen Beschlusses notwendig sei. Die Kindesmutter telefonierte daraufhin mit der zuständigen Richterin am Amtsgericht und erläuterte in einem nachfolgenden Telefonat mit der Beklagten, dass ein richterlicher Beschluss der Beklagten zeitnah zugehe. Vorname2 und der Kläger wurden daraufhin gemeinsam von drei mit Maschinenpistolen bewaffneten Beamten der Bundespolizei aus dem Flugzeug eskortiert und auf die Dienstelle verbracht. Die Lebensgefährtin des Klägers und deren Tochter begleiteten den Kläger und Vorname2. Das Gepäck aller vier Passagiere wurde aus dem Flugzeug verbracht. Der Tochter des Klägers wurde die Ausreise nach Land1 mit dem Kläger untersagt (Grenzpolizeilicher Bericht vom 12.08.2018, Bl. 14f. d.A.). Der Lebensgefährtin des Klägers und dem Kläger wurde mitgeteilt, dass sie die Reise problemlos ohne Vorname2 antreten könnten. Eine objektive Gefahr für Leib und Leben lag im Zeitpunkt der Maßnahme in Land1 ausweislich der Reisehinweise des Auswärtigen Amtes nicht vor. Erst wenige Minuten nach Abflug ging bei der Dienststelle der Beklagten eine schriftliche Untersagung der Kindesmutter per Fax ein, aber nicht der von der Kindesmutter angekündigte richterliche Beschluss.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Hotel- und Verpflegungskosten sowie der Flugkosten für alle vier Reisenden in Höhe von 5.369,00 EUR, ferner die Aufwendungen für die Übernachtung in Stadt1 in Höhe von 99,00 EUR und die Fahrtkosten Gemeinde1 - Stadt1 in Höhe von 106,20 EUR.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands der 1. Instanz im Übrigen sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Kindesmutter stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.574,20 EUR aus § 51 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BPolG zustehe. Soweit die Bundespolizei ihr Handeln auf § 39 Abs. 2 BPolG gestützt habe, sei die Maßnahme rechtswidrig. Vorname2 sei der ebenfalls sorgeberechtigten Mutter durch den Kläger nicht widerrechtlich entzogen worden. Die Auslandsreise sei bereits nicht zustimmungspflichtig im Sinne der §§ 1687 Abs. 1, 1628 Satz 1 BGB gewesen, so dass der Widerruf der zuvor erteilten Zustimmung unbeachtlich sei. Es habe keine Angelegenheit von besonderer Bedeutung vorgelegen, weswegen es auf das elterliche Einvernehmen nach § 1627 BGB nicht angekommen sei. Bei der Entscheidung darüber, ob ein Kind im Rahmen eines zwischen den Eltern einvernehmlich vereinbarten Ferienumgangs eine Urlaubsfernreise antrete,...