Entscheidungsstichwort (Thema)

Notarhaftung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Notar hat sein Amt gewissenhaft und unparteilich zu verwalten und dabei die Interessen der Beteiligten betreuend zu wahren (§§ 14 Abs. 1; 13 Abs. 1 BNotO). Deshalb hat er die an dem vor ihm vollzogenen Geschäft Beteiligten nach Kräften vor nicht bedachten Folgen ihrer rechtsgeschäftlichen Erklärungen zu schützen, hat sie auch vor wirtschaftlichen Risiken zu warnen, welche den Beteiligten nicht bewußt, ihm aber erkennbar sind.

2. Da das Amt des Notars als Trägers vorsorgender Rechtspflege in seinem Kernbereich durch die Beurkundung von Rechtsvorgängen auf dem Gebiet des Zivilrechts gekennzeichnet ist, ist der Notar im Grundsatz nicht verpflichtet, auch steuerrechtliche Aspekte der von ihm beurkundeten Rechtsvorgänge in Betracht zu ziehen und den an seinen Amtshandlungen beteiligten Personen steuerliche Belehrungen zu erteilen; Steuerhilfe ist im allgemeinen Aufgabe der steuerberatenden Berufe.

 

Normenkette

BNotO § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 19 Abs. 1; GmbHG § 35 Abs. 1; BGB § 181

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 01.12.1993; Aktenzeichen 8 O 352/93)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 01.12.1993 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 13.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische und unbefristete Bürgschaften eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen Kreditinstituts erbracht werden.

Die Klägerin ist mit 154.650,00 DM beschwere.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen der Verletzung von Amtspflichten in Zusammenhang mit der Übertragung eines Gesellschaftsanteiles.

Die Klägerin war im Jahre 1975 gegründet worden; den Gesellschaftsvertrag vom 02.12.1975 – Bl. 10 – 12 d. A. – hatte der Beklagte beurkundet. Gesellschafter waren Herr … und seine Ehefrau … der erstere wurde zugleich zum alleinigen Geschäftsführer bestellt.

Am 03.12.1985 beurkundete der Beklagte die Übertragung des Gesellschaftsanteiles der Frau … auf ihren Ehemann, Herrn …; in derselben Urkunde – auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, Bl. 13–15 d. A. – protokollierte er im Zusammenhang hiermit gefaßte Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. In den Jahren 1987–1989 nahm die Gesellschaft wirtschaftlich eine steile Aufwärtsentwicklung; Gewinne und Betriebsvermögen stiegen deutlich an. Die Gesellschaft gewährte ihrem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer für die Jahre 1987–1989 im Vergleich zur Vergangenheit stark erhöhte Gehälter und Tantiemen und verbuchte die an ihn geleisteten Zahlungen entsprechend.

Im Jahre 1991 führte das zuständige Finanzamt im Hause der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. In dem hierüber erstatteten Bericht vom 18.09.1991 – Bl. 17–35 d. A. – wurde unter Hinweis auf § 181 BGB festgehalten, daß die zwischen der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer getroffenen Vereinbarungen über die Erhöhung seines Gehalts und der an ihn auszuzahlenden Tantiemen rechtsunwirksam seien. Die Zahlungen seien als verdeckte Gewinnausschüttungen zu bewerten. Auf der Grundlage dieser Einschätzung wurde die Klägerin – wie sie behauptet – zur Nachzahlung von Gewerbesteuer in Höhe von 154.650,00 DM herangezogen.

Die Klägerin hat die Auffassung vorgetragen, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, anläßlich der Beurkundung vom 03.12.1985 darauf hinzuweisen, daß eine Befreiung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens – § 181 BGB – aus steuerrechtlichen Gründen ratsam sei. Die finanzamtliche Anerkennung der Gehalts- und Tantiemeerhöhungen als Betriebsausgaben sei allein daran gescheitert, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit worden wäre.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 154.650,00 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 24.12.1992 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die umstrittenen Zahlungen auf erhöhte Gehälter und Tantiemen seien ganz unabhängig von der Nichtbeachtung des Verbots des Selbstkontrahierens auch im materiell-steuerrechtlichen Sinne als verdeckte Gewinnausschüttungen zu bewerten gewesen. Es sei auch nicht seine, vielmehr Aufgabe des – unstreitig die Klägerin laufend beratenden – Steuerberaters gewesen, ihre steuerrechtlichen Belange zu wahren.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 01.12.1993 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz im übrigen und im einzelnen sowie wegen der die Entscheidung tragenden Gründe wird auf dieses Urteil – Bl. 87–95 d. A. – verwiesen.

Dagegen wendet sich die – nach Urteilszustellung am 05.01.1994 am Montag, den 05.02.1994 – eingelegte Berufung. Mit Verfügung vom 10.0...

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