Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtspflichtverletzung: Zuweisung eines kontaminierten Grundstücks im Umlegungsverfahren
Normenkette
GG Art. 34; BGB § 839
Verfahrensgang
LG Gießen (Aktenzeichen 4 O 551/97) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 25.5.1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Gießen abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 369.750 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 19.1.1998 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Grundstücks W.-J.-R. 24, Flur 4, Flurstück 206 der Gemarkung B. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 450.000 DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Der Wert der Beschwer wird für die Beklagte auf 369.750 DM und für die Kläger auf 250 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung und des enteignungsgleichen Eingriffs, weil die Beklagte bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 8 „I.S.” schuldhaft ein altlastenverdächtige Fläche einbezogen habe und das den Klägern im Umlegungsverfahren zugeteilte Grundstück kontaminiert und deshalb unbebaubar sei.
Die Kläger waren seit 1976 zu je 1/2 Eigentümer des Ackergrundstücks Flur 14, Flurstück 117/2 „Am Stracksarm” in der Gemarkung B. Dieses Grundstück lag innerhalb des Gebietes „I.S.”, für das die Beklagte am 6.5.1969 die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschloss. Dieser Bebauungsplan trat jedoch nicht in Kraft. Wegen der Anforderungen durch das neue Hessische Naturschutzgesetz fasste die Beklagte am 2.9.1982 erneut einen Aufstellungsbeschluss. Im Oktober 1984 legte ein durch die Beklagte beauftragtes Planungsbüro den Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 8 „I.S.” mit integriertem Landschaftsplan vor. Der Bebauungsplan wurde vom 8.10.1984 bis 9.11.1984 öffentlich ausgelegt, am 28.2.1984 von der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten als Satzung beschlossen und mit Verfügung des Regierungspräsidenten in D. vom 25.6.1985 genehmigt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes gab die Beklagte u.a. folgenden Hinweis:
„Ehemalige Bergbau- und Abbaugebiete/deponien.
Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes ist in der Vergangenheit der Bergbau umgegangen. Örtlich befanden sich diese Abbaugebiete, die zum Teil mit Müll verfüllt wurden. Die Bergbau- und Abbaugebiete sind nicht mehr lokalisierbar. Für die Gründung baulicher Anlagen sind qualifizierte Baugrunduntersuchungen anzustellen und geeignete Sicherungsmaßnahmen zu treffen” (Anlage B 3).
Zur besseren Erschließung des Plangebietes wurde durch Beschluss der Beklagten vom 17.11.1986 das Umlegungsverfahren eingeleitet. Bei Erörterungsterminen im Rahmen des Umlegungsverfahrens am 13.5.1987 und am 6.6.1987 wünschten die Kläger zunächst die Zuteilung von Bauland in Block 32, Nordostspitze, später eine Zuteilung im Block 21 (Endreihenhausbauplatz mit ca. 17 m Breite). Der Umlegungsplan wurde von der Beklagten am 15.12.1987 beschlossen. Am 10.3.1988 wurde seine Unanfechtbarkeit bekannt gemacht. Durch den Umlegungsplan wurde den Klägern zu jeweils hälftigem Eigentum das Grundstück Gemarkung B., Flur 14 Nr. 206, Gebäude- und Freifläche W.-J.-R. 24, 493 qm, zugeteilt. Da die Kläger einen Anspruch auf Zuteilung von 553 qm Bauland hatten, wurde ihnen wegen der Minderzuteilung von 60 qm ein Betrag von 18.000 DM (300 DM/qm) gezahlt.
Nachdem bei den Erschließungsarbeiten Abfall-Auffüllungen sichtbar geworden waren, gab die Beklagte ein geo-wissenschaftliches Gutachten zur Gründungsbeurteilung der ehemaligen Kiesgruben in B. „I.S.” in Auftrag. Das daraufhin erstellte Gutachten der Fa.G. vom 20.9.1989 stellte u.a. fest, dass die in den Bodenaufschlüssen angetroffene Auffüllungszusammensetzung Hinweise auf eine mögliche Umweltgefährdung durch Ausgasungen ergebe, da schwarze, stark organische Einlagerungen angetroffen worden seien (Anlage A 14). Daraufhin beauftragte die Beklagte das Ingenieurbüro B./G./S. GmbH mit einer Untersuchung zur Untergrundbelastung des Baugebietes „I.S.”. In der Untersuchung (Stand Dezember 1992, Anlage A 6) wird u.a. ausgeführt, dass sich in dem insgesamt 384.000 qm umfassenden Baugebiet eine als Altablagerung bekannte Fläche von etwa 27.000 qm befinde, die eine Bodenbelastung insbesondere durch Arsen und Blei aufweise. Die Änderung des Bebauungsplanes wird als unumgänglich bezeichnet.
Das den Klägern im Umlegungsverfahren zugeteilte Grundstück befindet sich im Gebiet der altlastenverdächtigen Fläche.
Das Regierungspräsidium D. setzte die Kläger mit Schreiben v. 19.10.1990 von der Absicht in Kenntnis, das Gebiet „I.S.” zur Altlast gem. § 18 HabfAG zu erklären (Anlage A 7). Mit Schreiben v. 6.6.1995 (Bl. 41–44 d.A.) teilte das Regierungspräsidium D. den Kläger...