Normenkette
BUZ § 2; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 25.06.2006; Aktenzeichen 3 O 98/02) |
Tenor
1. Zur Darlegungs- und Beweislast des Versicherungsnehmers, der Berufsunfähigkeit geltend macht.
2. Zur Aussagekraft eines sog. "Symptomvalidierungstests".
Gründe
I. Der am 20.9.1950 geborene Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch. Er war zur Zeit des Abschlusses des Vertrages im Verkaufsaußendienst in verschiedenen Branchen, u.a. im Lebensmittel-, Porzellan- und Textilbereich sowie als Bauberater und als Geschäftsführer tätig gewesen. Seit 1999 war der Kläger selbständig im Sicherheitsgewerbe tätig. Er wurde seit Anfang des Jahres 2000 ununterbrochen krankgeschrieben. Im Februar 2001 hat der Kläger ggü. der Beklagten Leistungen geltendgemacht und ist seitdem nicht mehr berufstätig gewesen.
Die Streitverkündete, die der Kläger auf Leistungen aus der bei dieser bestehenden Krankentagegeldversicherung in Anspruch genommen hatte, stellte ihre Leistungen mit der Begründung ein, der Kläger sei berufsunfähig. Zur Begründung hat sie sich auf das Gutachten des Dr. GA1, Facharzt für Orthopädie, vom 13.3.2002 bezogen. Ein von der Beklagten eingeholtes neurologisches Gutachten von Prof. Dr. GA2, O3, vom 5.9.2001 hat eine Berufsunfähigkeit nicht bestätigt.
Der Kläger erhält von der BfA seit 29.3. 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid Bl. 387 f. d.A.).
Der Kläger hat unter Angabe von Einzelheiten behauptet seit der Geltendmachung der Versicherungsleistungen, seinen zuletzt ausgeübten Beruf im Sicherheitsbereich zu mehr als 50 % nicht mehr ausüben zu können, ebenso wenig seine früheren Tätigkeiten, weil er nicht mehr über die notwendigen Kenntnisse verfüge. Er hat wegen der langen Zeitdauer seit der Beendigung dieser Berufstätigkeiten Versicherungsleistungen bis zum 28.2.2021 sowie die Feststellung seiner Freistellung von der Beitragszahlungspflicht begehrt.
Die Beklagte hat bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers bestritten und darauf verwiesen, der Kläger könne angesichts seiner langjährigen Erfahrungen auf kaufmännischem Gebiet und im Vertriebsaußendienst im Bereich dieser Berufssparten tätig werden.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. GA3 (Blatt 415 ff. d.A.) sowie Dr. GA4 (Blatt 489 ff. d.A.) mit Ergänzung (Blatt 625 ff. d.A.) sowie Anhörung von Dr. GA4 in der mündlichen Verhandlung vom 5.5.2006 (Blatt 723 d.A.).
Das LG hat mit Urteil vom 26.5.2006 der Klage im Wesentlichen stattgegeben, die Leistungen jedoch begrenzt bis zum Vertragsende, dem 31.7.2010. Das LG hat zur Begründung ausgeführt, entgegen den Feststellungen des Sachverständigen auch bei seiner mündlichen Anhörung dürfe die fehlende Sicherheit dafür, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Annahme der Berufsunfähigkeit des Klägers nicht mit erforderlicher Sicherheit vorlegen, nicht "zu Lasten des Klägers ausgelegt" werden. Zwar liege eine eindeutige Stellungnahme des Sachverständigen gerade nicht vor, es genüge jedoch, dass voraussichtlich ein Zustand der Berufsunfähigkeit von unbestimmter Dauer gegeben sei, die Berufsunfähigkeit nach entsprechender Behandlung und späterer Besserung des Zustandes aber auch wieder wegfallen könne. Das LG hat sich auf der Grundlage der Zeitplan zur Antragstellung vorgelegten medizinischen Gutachten überzeugt gesehen, dass Berufsunfähigkeit des Klägers bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bestanden habe. Allerdings seien die geltendgemachten Leistungen auf die vereinbarte Laufzeit von 20 Jahren zu begrenzen, die ab Vertragsschluss zu berechnen sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung.
Die Beklagte rügt zunächst die Verkennung der Beweislast durch das LG. Sämtliche Voraussetzungen des Versicherungsfalls seien vom Versicherungsnehmer zu beweisen. Der Kläger habe jedoch noch nicht einmal den Beweis geführt, dass er überhaupt unter Beschwerden im Sinne von Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall leide, die geeignet wären, seine Berufsfähigkeit zu beeinträchtigen. Nach dem Ergebnis des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. GA3 könne die vom Kläger geklagte Schmerzsymptomatik mit organischen Befunden nicht erklärt werden. Eine allenfalls psychosomatische/neurotische Störung als Ursache der Schmerzen habe der vom LG beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. GA4 nicht feststellen können. Entgegen der Meinung des LG gingen die Zweifel des Sachverständigen am Vorliegen einer neurotischen Störung angesichts der Beweislast zu Lasten des Klägers. Aus den Gutachten von Prof. GA3 und Dr. GA4 ergäben sich auch erhebliche Aggravationstendenzen (Beispiele: S. 4 und 5 der Berufungsbegründung). Das LG habe sich zudem auf eine - sicherlich auch nicht vorhandene - eigene Sachkunde bezogen. Eine psychische Störung des Klägers könne nur dann für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit von Bedeutung sei...