Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Regressverzichtsabkommen der Feuerversicherer ist der darin festgehaltene Regressverzicht ausgeschlossen, wenn der Regressschuldner den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.
2. Grob fahrlässige Schadensverursachung liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, z.B. auch die Außerachtlassung allgemeingültiger Sicherheitsregeln, wenn die Kenntnis dieser Sicherheitsregeln nach dem Grad ihrer Verbreitung allgemein vorausgesetzt werden muss. Dabei muss auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden vorliegen, wobei in der Regel das Bewusstsein der Gefährlichkeit vorausgesetzt wird. Die grobe Fahrlässigkeit braucht sich in der Regel nur auf den haftungsbegründenden Tatbestand und nicht auf den konkret eingetretenen Schaden zu erstrecken.
3. Die Feststellung der Allgemeinkundigkeit bzw. Offenkundigkeit des Gefahrwissens ist keine Beweiserhebung, weswegen Offenkundigkeit also solche, bzw. ihr Fehlen nicht Gegenstand eines Beweisantrittes sein kann. Das unter Beweis gestellte Vorbringen kann nur dazu dienen, die Überzeugung des Gerichts von der Offenkundigkeit zu erschüttern.
4. Ein besonderes Gefahrwissen um die Gefährlichkeit von Wunderkerzen, das sich darauf erstreckt, dass eine angezündete Wunderkerze imstande ist, an einem Weihnachtsbaum am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages sofort einen explosionsartig sich ausbreitenden Brand auslösen, kann nicht im Rahmen des Allgemeinwissens vorausgesetzt werden.
5. Der für den Fall einfacher Fahrlässigkeit geltende Regressverzicht verliert nicht deshalb seine Geltung, weil der Mieter des Versicherungsnehmers eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Der Feuerversicherer hat auch dann keinen Anspruch auf Abtretung der Ansprüche der Mieter gegen ihre Haftpflichtversicherung, wenn diese einen Gebäudeschaden mit erfasst (OLG Frankfurt, Urt. v. 15.12.2005 - 3 U 28/05; gegen OLG Dresden v. 24.4.2003 - 4 U 193/03, VersR 2003, 1391 = ZfS 2004, 127).
Normenkette
BGB §§ 276, 278, 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1; VVG § 67 Abs. 1; ZPO § 291
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.04.2005; Aktenzeichen 2/20 O 126/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt/M. - 20. Zivilkammer - vom 12.4.2005 - 2/20 O 126/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheit kann durch schriftliche, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes erbracht werden.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 217.964 EUR.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist Gebäudeversicherer des Wohnhauses X im ... und nimmt die Beklagten wegen eines Brandereignisses vom 26.12.2002 in Regress.
Die Beklagten waren zum damaligen Zeitpunkt Mieter dieses Anwesens und bewohnten es mit ihren Zwillingssöhnen und einem weiteren Sohn, sowie einem Au-pair-Mädchen. Es bestand eine Hausratversicherung und eine Haftpflichtversicherung bei der Y. Versicherungsnehmerin der Gebäudeversicherung war die Vermieterin und Eigentümerin.
Das Wohnhaus brannte am 26.12.2002 ab, weil der Weihnachtsbaum durch eine Wunderkerze entzündet wurde, die der damals 4 oder 5-jährige Zwillingssohn A. in dessen Nähe gehalten hatte. Die Einzelheiten des Geschehenshergangs sind streitig. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erklärte der Beklagte zu 2) ausweislich des Ermittlungsberichts des KOK B vom 26.12.2002 (dort S. 2, Bl. 149), der Christbaum sei durch eine an ihm angebrachte Lichterkette in Brand geraten. Im Vermerk des KHK C vom 27.12.2002 (dort S. 2, Bl. 152) findet sich die Erklärung der Beklagten zu 1), wonach sie sich mit den Zwillingssöhnen im Wohnzimmer des Hauses befunden habe, in welchem der Weihnachtsbaum gestanden habe. Sie habe eine Wunderkerze angezündet, die der Zwillingssohn A. gehalten und umhergeschwenkt habe. Dabei sei er an den Baum geraten, der sofort Feuer gefangen habe.
Der von der Klägerin im Wege des Regresses geltend gemachte Betrag - die Klageforderung - beläuft sich auf 217.964 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten den Brand grob fahrlässig verursacht, weswegen sie Regress nehmen könne. Das Schadensereignis habe sich so wie im Vermerk des KHK C vom 27.12.2002 festgehalten, ereignet. Für den Fall nur leichter Fahrlässigkeit könne sie von den Beklagten die Abtretung der Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung verlangen, die Regressansprüche, wie die hier geltend gemac...