Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbengemeinschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem Nachlassgläubiger steht es bis zur Teilung des Nachlasses frei, ob er eine gegen die Gesamtheit der Miterben als notwendige Streitgenossen gerichtete Gesamthandklage gemäß § 2059 Abs. 2 BGB erhebt oder einzelne Miterben in ihrer Eigenschaft als Gesamtschuldner der Nachlaßverbindlichkeiten gemäß § 2058 BGB in Anspruch nimmt.

 

Normenkette

ZPO § 780; BGB §§ 2058-2059

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.11.1995; Aktenzeichen 2/10 O 279/94)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 10. Zivilkammer – vom 17.11.1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß dem Beklagten die Haftungsbeschränkung auf seinen Erbteil vorbehalten bleibt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 300.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt 219.790,74 DM.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist eines von sechs Kindern der Klägerin und Ihres am 28. Mai 1991 in K. verstorbenen früheren Ehemannes … (nachfolgend: Erblasser), von dem sie zur Zeit seines Todes schon seit ca. 20 Jahren getrennt lebte. Die Klägerin nimmt ihn im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über den Nachlaß des Erblassers und Zahlung eines sich daraus ergebenden Anteils von 25 % dieses Wertes in Anspruch; sie stützt sich dabei auf die letztwilligen Verfügungen des Erblassers.

Der Erblasser hat mehrere Testamente hinterlassen: Im handschriftlichen Testament vom 30.3.1977 bestimmte er – offensichtlich unter Berücksichtigung der zwischen ihm und seiner Ehefrau vereinbarten Gütertrennung – daß nach seinem Tod gesetzliche Erbfolge eintreten, seine Frau „also” 25 % des Nachlasses und den Rest die Kinder erhalten sollten. Dieselbe Aufteilung legte er in dem Testament vom 2.1.1985 fest. Im handschriftlichen Testament vom 9.3.1990 mit Zusatz vom 16.7.1990 wird wiederum gesetzliche Erbfolge angeordnet. Schließlich wird in dem letzten, vor dem Zeugen, dem Schweizer Notar … am 25.7.1990 beurkundeten Testament vorausgeschickt, daß die Erbfolge nach dem Testator „gemäß dem einschlägigen internationalen Privatrecht dem sogenannten schweizerischen Zivilrecht” unterstehe. Nach verschiedenen anderen Regelungen heißt es sodann weiter im Testament: „Meine Ehefrau setze ich auf den gesetzlichen Pflichtteil (25 %). Die dadurch frei werdende Quote soll gleichmäßig unter meinen Nachkommen aufgeteilt werden. Im übrigen soll unter meinen Erben die gesetzliche Erbfolge Platz greifen.”

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß ihr aufgrund des letztgenannten Testamentes 25 % des Nachlasses zuständen, auch wenn der Pflichtteil nach deutschem Recht unter Berücksichtigung der zwischen ihr und dem Erblasser vereinbarten Gütertrennung rechnerisch nur 12,5 % betrage. Der Erblasser habe bei Verwendung des Ausdrucks „Pflichtteil” bei Testamentserrichtung eventuell die Vereinbarung der Gütertrennung vergessen. Entscheidend sei jedenfalls der Klammerzusatz: „25 %”, die ihr schließlich vom Erblasser auch in allen früheren Testamenten zugedacht gewesen seien.

Nachdem über den Auskunftsanspruch am 13.1.1995 ein Teilanerkenntnisurteil ergangen ist, hat die Klägerin unter Erhöhung der zunächst begehrten Mindestsumme von 210.503,50 DM beantragt.

den Beklagten zu verurteilen, an sie gemeinschaftlich mit … den sich der Höhe nach aus der Auskunftserteilung ergebenden Teil in Höhe von 25 % des Nachlasses, mindestens jedoch 219.790,74 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, daß der Klägerin nach dem letzten Testament des Erblassers nur 12,5 % des Nachlasses zugewandt worden seien. Von entscheidender Bedeutung für die Auslegung der letztwilligen Verfügung sei nämlich, daß die Klägerin darin im Gegensatz zur Anordnung der gesetzlichen Erbfolge in den früheren Testamenten erstmals ausdrücklich auf den „Pflichtteil” gesetzt worden sei, so daß von einer Änderung seiner bisherigen Willensrichtung auszugehen sei. Der Pflichtteilsanspruch aber sei verjährt, und im übrigen habe die Klägerin zunächst selbst noch Auskunft über Zuwendungen unter Lebenden zu erteilen.

Durch Teilurteil vom 17.11.1995 hat das Landgericht dem Zahlungsantrag zunächst in Höhe der Mindestforderung nebst Zinsen stattgegeben. Es hat ausgeführt, daß das Testament des Erblassers vom 25.7.1990 dahin auszulegen sei, daß trotz des Ausdrucks „Pflichtteil”, der nach dem entgegen der Annahme des Erblassers anzuwendenden deutschen Recht nur 1/8 (= 12,5 %) des Nachlasses betrage, wegen des Klammerzusatzes und der entsprechenden Einsetzung der Ehefrau in früheren Testamenten davon ausgegangen werden müsse, daß ihr eine 25 % ige Mitberechtigung am Nachlaß habe zukommen sollen. Diese sei dementsprechend in ein Quotenvermächtnis umzudeuten, ...

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