Leitsatz (amtlich)
Zu den subjektive Voraussetzungen für die Verletzung der Pflichten des Vorstands einer Aktiengesellschaft aus § 92 Abs. 2 und 3 AktG.
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 23.06.2003; Aktenzeichen 2 O 461/02) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Gießen vom 23.6.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar, sofern der Kläger nicht in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten als ehemaligen Vorstand der Gemeinschuldnerin auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen in seiner Amtsführung in Anspruch.
Der Beklagte ist Diplom Bankbetriebswirt und als Bankkaufmann tätig. Bis Ende 1996 arbeitete er im Vorstand der ... bank O1/O2. Im April 1997 bewarb sich der Beklagte für die in einer Tageszeitung ausgeschriebene Tätigkeit als Vorstand einer Bank. Daraufhin meldete sich die X-Gruppe, zu der auch die Gemeinschuldnerin gehört. Ende Juli 1997 kam es zu einem Vorstellungsgespräch. Statt der Tätigkeit als Vorstand einer Bank, die angeblich erst erworben bzw. durch Umstrukturierung gegründet werden sollte, wurde dem Beklagten zunächst die Tätigkeit als Vorstand der Firma X Y AG (Fa. Z) und für eine Übergangszeit die Tätigkeit als Vorstand der Gemeinschuldnerin angeboten. Bei der Gemeinschuldnerin handelt es sich um eine 1990 gegründete Aktiengesellschaft mit einem Stammkapital von 1.000.000 DM, deren Unternehmensgegenstand die Konzeption und der Vertrieb von Vermögensanlagen sowie unter Ausnahme von Bankgeschäften die Verwaltung und Vermittlung von stillen Beteiligungen zur Kapitalbeschaffung war. Hierbei war die Gemeinschuldnerin im wesentlichen in den Vertrieb stiller Beteiligungen der Fa. Z eingebunden, an deren Grundkapital sie mehrheitlich mit 85,6 % beteiligt war. Mit einer Tätigkeit für beide Gesellschaften war der Beklagte einverstanden. In den am 11.8.1997 stattfindenden Sitzungen des Aufsichtsrats beider Gesellschaften wurde der bis dahin amtierende alleinige Vorstand, Herr A B, abberufen und der Beklagte, befristet bis zum 30.9.1998, zum alleinigen Vorstand der Fa. Z und der Gemeinschuldnerin bestellt. Dennoch gab es nur einen Anstellungsvertrag zwischen der Fa. Z und dem Beklagten. Die Tätigkeit des Beklagten für die Gemeinschuldnerin wurde auch nicht gesondert vergütet.
Als neuer Vorstand der Gemeinschuldnerin wurde der Beklagte am 28.8.1997 im Handelsregister eingetragen und nahm daraufhin seine Tätigkeit auf. Als Herr A B ggü. der Gemeinschuldnerin nicht unerheblich hohe Ansprüche aus einem Auseinandersetzungsvertrag geltend machte, äußerte der Beklagte ihm ggü. in einem Telefax vom 17.9.1997 den Verdacht äußerte, die Gemeinschuldnerin könne überschuldet sein. Herr A B wies dies mit Telefax vom 20.9.1997 zurück. Daraufhin veranlasste der Beklagte die Erstellung eines Zwischenabschlusses zum 31.8.1997. Die hiermit beauftragte C. mbH teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 1.10.1997, dass zahlreiche Posten weiter aufgeklärt werden müssten. Unter anderem heißt es dort:
"Erst nach Erledigung dieser Punkte sehen wird uns in der Lage, Ihnen einen Zwischenabschluss zu unterbreiten, der es Ihnen ermöglicht, sich einen angemessenen Überblick über die Vermögens-, Kapital- und Ertragssituation der Gesellschaft zu verschaffen."
Im Laufe des Monats Oktober 1997 erhielt der Beklagte von dem am 7.10.1997 erstellten, vorläufigen Zwischenabschluss zum 31.8.1997 Kenntnis. Dieser wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag i.H.v. 8.940.977,07 DM auf. Deshalb wandte sich der Beklagte an den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater D, der mit einer Analyse der wirtschaftlichen Situation beauftragt wurde. Bereits am 8.10.1997 kam es zu einer Krisensitzung, an der neben dem Beklagten auch der Wirtschaftsprüfer D sowie die Steuerberater von der C. mbH teilgenommen haben. In dem Einladungsschreiben vom 15.10.1997 zu der am 24.10.1997 stattfindenden außerordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre der Gemeinschuldnerin heißt es u.a.:
"1. Es wurde in einem Gespräch am 13.10.1997 mit dem Wirtschaftsprüfer E, O3/O4, aufgrund der Werte des vorläufigen Zwischenabschlusses per 31.8.1997, der am 7.10.1997 erstellt wurde, festgestellt, dass eine rechnerische Überschuldung der Gesellschaft entsteht. Ein Verlust der Hälfte des Grundkapitals besteht. Eine Kopie der Zwischenbilanz haben wir beigelegt.
Aufgrund der vorliegenden Umstände kann zum jetzigen Zeitpunkt auch keine positive Fortbestehungsprognose abgegeben werden.
Dies hat zur Folge, dass wir der Möglichkeit eines Konkursantrages bzw. der Eröffnung eines Vergleichsverfahrens über das Vermögen der X X1 AG näher treten müssen.
2. Ein Konkursantrag bzw. Antrag auf Durchführung eines Vergleichsverfahrens kann nach unserer Einschätzung nur abgewendet werden, wenn der Gesellschaft neue Eigenkapitalmittel z...