Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorbehaltlose Bezahlung von Rechnungen als Anerkenntnis. Nichterstattungsfähigkeit der Kosten einer ECT-Therapie in der privaten Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vorbehaltlose Begleichung von Arztrechnungen durch den Krankenversicherer stellt ein Anerkenntnis dar, wenn über die Erstattungsfähigkeit der Rechnungen bereits ein Rechtsstreit geführt wird, die Rechnungen auf einen Hinweis des Gerichts durch die Ärzte neu begründet und sie von der Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers mit einem Begleitschreiben beim Versicherer eingereicht wurden, in dem auf alle diese Umstände ausdrücklich hingewiesen wird.

2. Die Electric Cancer Therapie (ECT; Galvanotherapie) stellt keine medizinisch notwenige Heilbehandlung dar. Die Kosten für parallel zu dieser Therapie durchgeführte regelmäßige bildgebende Untersuchungen (Computertomografie, CT, Magnetresonanztomografie, MRT) sind in der privaten Krankenversicherung nicht erstattungsfähig.

 

Normenkette

BGB §§ 780-781

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.10.2011; Aktenzeichen 2-23 O 222/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.10.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert und in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:

In Höhe von 5.406,38 € ist die Hauptsache erledigt.

Die weitergehende Klage sowie die Widerklage werden abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 34%, die Beklage 66% zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der er eine private Krankenversicherung unterhält, auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die er zur X-Krebsbehandlung gemacht hat.

Da der Kläger eine X-Ektomie (Entfernung der X) wegen der damit häufig verbundenen erheblichen Nebenfolgen zunächst ablehnte, unterzog er sich zwischen April 2005 und Juni 2006 einer so genannten Electric Cancer Therapie (ECT), auch Galvanotherapie genannt, und ließ begleitend Computertomografie- (CT) und Magnetresonanztomographie- (MRT) Untersuchungen durchführen. Nachdem die Beklagte die Erstattung der eingereichten Rechnungen abgelehnt hatte, erhob der Kläger Klage auf Zahlung von insges. 8.232,85 €. Auf einen gerichtlichen Hinweis hin ließ der Kläger durch die behandelnden Ärzte neue, an der GOÄ orientierte Abrechnungen erstellen und reichte diese unter Hinweis darauf, dass die darin abgerechneten Leistungen Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung seien, bei der Beklagten ein. Diese erstattete daraufhin unter dem 12.03.2008 5.406,36 €, verlangte diesen Betrag aber bereits am 1.4.2008 mit der Begründung zurück, es habe sich bei der Leistung um einen Versehen gehandelt.

Der Kläger hat erstinstanzlich Zahlung des Restbetrags in Höhe von 2.826,49 € und Feststellung begehrt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe des Zahlungsbetrags erledigt habe. Die Beklagte hat widerklagend den gezahlten Betrag zurückverlangt.

Mit Urteil vom 20.10.2011, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen, der Widerklage stattgegeben. Einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die ECT-Behandlung und die sie begleitenden körperlichen CT- und MRT-Untersuchungen habe der Kläger nicht, da es sich dabei nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. SV1 und Prof. Dr. SV2 nicht um medizinisch notwendige Heilbehandlungen gehandelt habe. Die Widerklage sei in vollem Umfang begründet, weil die Kosten für die ECT-Behandlung nicht erstattungsfähig gewesen seien und in der versehentlich erfolgten Leistung ein Anerkenntnis nicht gesehen werden könne.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der an seinem erstinstanzlichen Begehr in vollem Umfang festhält. Das Landgericht habe über das schriftliche Verfahren nur durch den Einzelrichter, nicht durch die Kammer entschieden und in der mündlichen Verhandlung eine vom späteren Urteil abweichende Rechtsauffassung zur Beweislast vertreten. In der Erbringung der Versicherungsleistung auf die korrigierte Rechnung hin sei ein Anerkenntnis zu sehen; hilfsweise müsse über das von der Beklagten behauptete Versehen Beweis erhoben werden. Das Landgericht sei zudem kritiklos den eingeholten Sachverständigengutachten gefolgt; beide Gutachter verfügten jedoch nicht über die zur Beurteilung der anstehenden Frage erforderliche Sachkunde.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Begründet ist die Berufung, soweit das Landgericht die begehrte Feststellung der teilweisen Erledigung der Klage verweigert und der Widerklage stattgegeben hat, weil es in der Zahlung von 5.406,38 € während des Rechtsstreits eine rechtsgrundlose Leistung gesehen hat, die nicht zu einer t...

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