Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Annahme des Restwertangebots
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist zweifelhaft, ob ein Geschädigter verpflichtet ist, das Restwertangebot eines ihm völlig unbekannten Anbieters anzunehmen, wenn dieses, wie üblich, den regional erzielbaren Restwert um ein Vielfaches übersteigt. Wenn die Realisierung solcher Werte selbst Fachleuten nicht nachvollziehbar ist und illegale Verhaltensweisen nicht auszuschließen sind, erscheint es dem Geschädigten nicht zumutbar, mit solchen Personen geschäftliche Verbindungen einzugehen.
2. Um solche Unsicherheiten zu verhindern, kann der Schädiger als Vertragspartner des Geschädigten den Restwertverkauf übernehmen.
3. In jedem Fall ist der Geschädigte zur Annahme eines Restwertangebots nur verpflichtet, wenn auf diesem klar und deutlich die kostenfreie Abholung gegen Barzahlung vermerkt ist und er ohnehin bereit ist, das Fahrzeug sofort zu verkaufen. Benötigt der Geschädigte noch Zeit, über eine anderweitige Verwertung zu entscheiden, muss er auf ein zeitlich befristetes Angebot nicht eingehen.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 25.01.2008) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Darmstadt vom 25.1.2008 teilweise abgeändert. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.492,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.207,45 EUR vom 21.1.2006 bis 15.2.2006 und aus 2.492,13 EUR seit dem 16.2.2006 sowie weitere 467,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.2.2006 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Auslagen des Klägers tragen die Beklagten zu ¼ als Gesamtschuldner, der Beklagte zu 1) darüber hinaus zu ¾.
Die außergerichtlichen Auslagen der Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte zu 1).
Die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten tragen diese jeweils selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert der Berufungsinstanz wird auf 10.112,62 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über den Hergang des Verkehrsunfalls vom 29.11.2005 in der Gemarkung ..., an dem die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen X und Y beteiligt waren. Hinsichtlich des weitergehenden Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Von einem weitergehenden Tatbestand wird gem. § 313a ZPO abgesehen.
II. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Es hat jedoch lediglich die Berufung der Klägerseite Erfolg.
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage des Haftungsgrundes und die Frage, inwieweit sich der Kläger ein Restwertangebot anrechnen lassen muss.
1. Zum Haftungsgrund:
Das LG ist von einer alleinigen Haftung der Beklagten für den Unfallhergang ausgegangen. Das LG hat sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen SV1 gestützt, der festgestellt hat, dass das Fahrzeug des Beklagten auf keinen Fall im Kollisionszeitpunkt gestanden, sondern sich in einer Vorwärtsbewegung befunden hat. Es ist deshalb von einer Vorfahrtsverletzung ausgegangen, da der Wartepflichtige durch sein Verhalten bei dem Vorfahrtsberechtigten die begründete Besorgnis erweckt habe, seine Berechtigung werde bei Beibehaltung der Geschwindigkeit und Fahrtrichtung der beteiligten Fahrzeuge missachtet werden.
Der Senat hat die Unfallbeteiligten persönlich angehört und die sachverständigen Feststellungen erster Instanz durch erneute Einschaltung eines Sachverständigen überprüft und erweitert. Er kommt danach zum gleichen Ergebnis wie das LG. Der Sachverständige SV2 hat nachvollziehbar und zweifelsfrei bekundet, dass auch er davon ausgeht, dass der Beklagte im Kollisionszeitpunkt noch eine Restgeschwindigkeit von 15 km/h fuhr. Auch hinsichtlich der Frage der Endstellung der Fahrzeuge geht der Sachverständige mit dem Gutachten des Sachverständigen SV1 konform. Damit steht fest, dass der Beklagte, auch wenn sich die Kollision im Bereich der Haltelinie oder etwas davor abgespielt hat, in keinem Fall rechtzeitig zum Stehen gekommen wäre, ohne das Vorfahrtsrecht des klägerischen Fahrzeugs zu verletzen. Mangels näherer Anhaltspunkte konnte der Sachverständige zwar nicht genau sagen, mit welcher Geschwindigkeit das Fahrzeug des Beklagten herangekommen ist. Er konnte allerdings feststellen, dass bei einer normalen Verzögerung beim Heranfahren an eine vorfahrtspflichtige Situation das Fahrzeug des Beklagten eine Geschwindigkeit von 12 - 18 km/h gehabt haben dürfte. Bei einer etwas stärkeren Bremsung von 5 m/s2 wäre der Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h im Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung für die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs herangekommen. Bei einer Vollbremsung hätte die Geschwindigkeit sogar 60 km/h betragen. Angesichts dieser Berechnungen ersch...