Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Löschungs-, aber Nachtragsanspruch bei nicht mehr aktuellem Beitrag auf anwaltlicher Homepage

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 4.112021, 2-03 O 296/21)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.11.2021, Az. 2-03 O 296/21, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Beschlusses vom 5.4.2022 auf EUR 30.000,- festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich noch gegen fünf Äußerungen in dem von dem Beklagten verfassten und in einem Anwalts-Blog auf der Website seiner Kanzlei www.(...).de eingestellten Beitrag mit der Überschrift "Einstweilige Verfügung gegen X AG erlassen; Zwangsmittel beantragt", nachdem die dort berichtsgegenständliche einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der hiesigen Klägerin aufgehoben und die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zurückgewiesen worden war.

Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil unter Abweisung des Feststellungsantrags und der Widerklage den Beklagten verurteilt, es strafbewehrt zu unterlassen, zu behaupten,

a) das Landgericht Stadt1 habe am 20. November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen die X AG erlassen und/oder aufgrund der klaren Bewertung des Gerichts sei nicht davon auszugehen, dass sich die rechtliche Einschätzung nochmals ändern werde; und/oder

b) die X AG sei mit dieser Verfügung dazu verpflichtet worden, einen Negativeintrag der Y GbR (Rechtsanwaltskanzlei) zur Löschung zu bringen und/oder sie habe die weitere Verarbeitung dieser Daten zu unterlassen; und/oder

c) es sei davon auszugehen, dass die Löschung des unter Ziffer b) genannten Eintrags zeitnah vorgenommen werden müsse; und/oder

d) die X AG habe auf die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stadt1 vom 20.11.2020 nicht reagiert; und/oder

e) das Landgericht Stadt1 habe in dem Beschluss vom 20.11.2020 eine DSGVO-konforme Prüfung der Rechtslage und eine tatsächliche Interessenabwägung vorgenommen.

Hiergegen hat der Beklagte Berufung insoweit eingelegt, als er weiterhin seinen Antrag auf Abweisung der Klage verfolgt. Hinsichtlich des ersten Teils der Äußerung lit. a) handele es sich um eine zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wahre Aussage, die auch weiterhin wahr bleibe. Die Berufung rügt, dass das Landgericht zu Unrecht und entgegen der bisherigen Rechtsprechung eine Pflicht zur Aktualisierung statuiere. In diesem Zusammenhang verweist die Berufung auf das Urteil des Landgerichts Stadt3 zu Az. .... Anders als dort müsse sich der Beklagte vorliegend an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zum Veröffentlichungszeitpunkt am 30.12.2020 messen lassen und könne sich, gerade weil keine spätere Anpassung oder Aktualisierung des Beitrags erfolgt sei, auf die sog. Archivwirkung berufen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei im Rahmen der Abwägung von erheblicher Bedeutung, dass diese im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig gewesen sei, was das Landgericht hier nicht hinreichend berücksichtige.

Die nicht erfolgte Aktualisierung begründe auch keine Gefahr der Irreführung des Lesers. So sei der Beitrag mit einem Veröffentlichungsdatum versehen, aus welchem der Leser den Stand der Veröffentlichung entnehmen können. Darüber hinaus werde auch im Beitrag selbst extra noch einmal konkret ein Datum benannt ("Bis zum heutigen Tag, dem 30.12.2020 (...)"). Daher erkenne der Durchschnittsrezipient, dass der Beitrag nicht den aktuellen, sondern den Verfahrensstand zu dem angegebenen Zeitpunkt wiedergebe. Dieser nehme entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht an, dass es bislang keinen Aktualisierungsbedarf gegeben habe.

Der von dem Landgericht angenommene Aktualisierungsbedarf nur für Anwälte, welcher bei Kenntniserlangung von einer Veränderung der Sachlage gleichermaßen auch für Presseorgane gelten müsse, führe im Ergebnis zu einer erheblichen Arbeitsbelastung und greife übermäßig in die Rechte auf Presse- und Meinungsfreiheit wie auch in die Be rufsausübungsfreiheit ein. Zudem stellten sich rechtliche Folgeprobleme hinsichtlich der Frage, ob und ggf. wann die Aktualisierungspflicht beginne.

Der Beklagte habe auch nicht durch sein Verhalten eine Aktualisierungspflicht begründet. Er habe in dem Beitrag nicht angegeben, weiter über den Verfahrensfortgang zu berichten und daher keine entsprechenden Erwartungen beim Leser angestoßen, dass er die Mitteilung aktualisieren werde, wenn sich etwas ändere.

Als Unternehmen stehe der Klägerin auch kein Recht auf Vergessenwerden zu.

Nicht nachvollziehbar sei der Rekurs des Landgerichts auf lauterkeitsre...

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