Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Umfang der Schrankenbestimmung des § 53 UrhG

 

Leitsatz (amtlich)

Das Scannen von drei Art. 5 Abs. 3 GG unterfallenden Bildniswerken zum Privatgebrauch ist unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 UrhG zulässig. Auch im Lichte der Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG ist § 53 Abs. 1 UrhG nicht auf die Vervielfältigung bereits veröffentlichter Werke einzuschränken.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 3; UrhG §§ 16, 53 Abs. 1, § 60

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.03.2012; Aktenzeichen 2-3 O 416/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.03.2014; Aktenzeichen I ZR 35/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 28.3.2012 - Az.: 2-3 O 416/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine freischaffende Künstlerin, macht Ansprüche geltend wegen behaupteter unerlaubter Vervielfältigung ihrer Werke. Sie machte am ... 10.2009 auf ihre eigene Initiative und ihren eigenen Antrieb hin Portraitaufnahmen von Frau A, einer ihr seit längerem bekannten älteren Dame, und dem Beklagten mithilfe ihrer digitalen Kamera. Diese digitalen Fotografien wollte sie nachfolgend bearbeiten. Entwürfe der Bearbeitungen der Portraitaufnahmen von Frau A und dem Beklagten druckte sie aus und zeigte sie Frau A. Die bei Frau A belassene Mappe mit den Entwürfen nahm der Beklagte anlässlich eines Besuchs bei Frau A mit in seine Wohnung und scannte dort drei Entwürfe ein. Zudem zeigte er die Entwürfe einer Frau B.

Die Klägerin ließ den Beklagten mit Schreiben vom 11.11.2012 abmahnen.

Im Übrigen werden die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gem. § 540 Abs. 1 ZPO in Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

Es könne offen bleiben, ob die streitgegenständlichen, aus digitalen Fotoaufnahmen geschaffenen Bildnisarbeiten der Klägerin dem Bereich der gem. § 2 UrhG geschützten Werke oder dem der Lichtbilder gem. § 72 UrhG unterfielen. Jedenfalls fehle es für den Unterlassungsantrag zu 1. an der Wiederholungsgefahr. Es liege keine die Wiederholungsgefahr indizierende Verletzungshandlung vor. Der Umstand, dass der Beklagte unstreitig drei der Bildnisarbeiten der Klägerin gescannt habe, unterfalle zwar dem Bereich der Vervielfältigungen i.S.d. § 16 UrhG. Dies sei jedoch gem. § 53 UrhG zulässig gewesen. Die Vervielfältigung sei zum privaten Gebrauch erfolgt. Dass die beim Scannen anwesende Frau B nicht seine Galeristin sei, sei nunmehr als unstreitig anzusehen. Ob § 53 UrhG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetze, dass rechtmäßiger Besitz vorliege, könne offen bleiben. Jedenfalls sei hier von rechtmäßigem Besitz auszugehen, da der Klägerin die Bildnisarbeiten nicht abhanden gekommen seien. Ein Abhandenkommen durch die Ansichnahme seitens des Beklagten wäre nur möglich gewesen, wenn sie, die Klägerin, zum Zeitpunkt der Mitnahme durch den Beklagten noch unmittelbare Besitzerin gewesen wäre. Dies sei jedoch infolge der zuvor erfolgten Besitzübergabe an Frau A nicht der Fall gewesen. Auch die Voraussetzungen der verbotenen Eigenmacht lägen nicht vor, da diese ebenfalls nur gegenüber dem unmittelbaren Besitzer erfolgen könne.

Das Scannen der Bildnisarbeiten durch den Beklagten sei auch nicht als unfreie Bearbeitung anzusehen. Die durch das Scannen bedingte Größenveränderung sei durch die gesetzgeberische Regelung des § 53 UrhG erlaubt worden.

Der Beklagte habe die Bildnisarbeiten auch nicht öffentlich zugänglich gemacht, da Frau B nicht die Voraussetzungen einer Person der Öffentlichkeit i.S.d. § 19a UrhG erfülle.

Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr seien nicht ersichtlich. Mangels unberechtigten Eingriffs in die Urheberrechte der Klägerin seien auch die Folgeanträge zu Ziff. 2. bis 4. unbegründet.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, welche sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

Sie behauptet, der Beklagte habe die Ansichtsmappe mit den im Schaffensprozess befindlichen Bildnisarbeiten gegen den Willen von Frau A an sich gebracht. Sie ist der Ansicht, dies erfülle die Voraussetzungen der verbotenen Eigenmacht; Frau A sei auch nicht befugt gewesen, dem Beklagten ein Besitzrecht einzuräumen.

Weiterhin meint sie, die streitgegenständlichen Bildnisarbeiten stellten Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dar. Die durch das Scannen bewirkte Vervielfältigung ihrer Werke sei unrechtmäßig. Durch die Ansichnahme habe der Beklagte in ihr Urheberpersönlichkeitsrecht eingegriffen. § 53 Abs. 1 UrhG sei im Lichte des Art. 5 Abs. 3 GG dahingehend auszulegen, dass die Schrankenregelung auf die Vervielfältigung unveröffentli...

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