Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Patronatserklärung, die vom Patron (Muttergesellschaft) ggü. dem Unterstützten (Tochtergesellschaft) abgegeben wird, kommt es für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite darauf an, wie die Tochtergesellschaft die Erklärung nach §§ 133, 157 BGB und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte verstehen konnte und durfte.
2. Aus einer Patronatserklärung, wonach es der "Geschäftspoliktik" ("business policy") der Erklärenden entspreche, die Kreditwürdigkeit der Erklärungsempfängerin zu erhalten, ergibt sich grundsätzlich keine Übernahme einer rechtlichen Verpflichtung zur Unterstützung der Tochtergesellschaft.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-20 O 474/04) |
Gründe
I. Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter die Beklagte aufgrund einer Patronatserklärung ("Letter of Comfort") auf Zahlung von 4.519.813,70 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.7.2005 in Anspruch.
Die in den USA ansässige Beklagte ist alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin, die ihren Sitz in Deutschland hat. Die Beklagte gab am 7.5.2003 eine als "Letter of Comfort" überschriebene Erklärung in englischer Sprache gerichtet an die Schuldnerin ab, die in der von der Beklagten übersetzten Form auszugsweise lautet:
"Die A. als Mitglied des B-Konzerns und mittelbar verbundenes Unternehmen der C GmbH bestätigt, dass es der Geschäftspolitik der A entspricht, die Kreditwürdigkeit der C GmbH zu aufrechtzuerhalten"
In dem Schreiben ist weiter ausgeführt, dass diese Erklärung dem Recht der Bundesrepublik Deutschland unterliege und Gerichtsstand der Bezirk des LG Frankfurt sei.
Wegen des näheren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Erklärung der Beklagten keine Zahlungsverpflichtung enthalte. Sie sei vielmehr als "weiche" Patronatserklärung auszulegen, die lediglich eine bestimmte Geschäftspolitik mitteile und als Absichtserklärung ohne Rechtsbindungswillen zu verstehen sei. In Abgrenzung dazu hätte es sich um eine "harte" Patronatserklärung gehandelt, wenn Maßnahmen oder Unterlassungen versprochen worden wären, die die Kreditwürdigkeit der Schuldnerin erhalten sollten. Davon sei vorliegend nicht auszugehen, weil die Geschäftspolitik kein rechtlich bindender Kodex sei, der zu bestimmten Verpflichtungen führe. Es handele sich vielmehr um Zielvorgaben.
Die im Anschluss tatsächlich geleisteten Zahlungen seien kein Indiz für den Verpflichtungswillen. Es sei vielmehr typisch für eine weiche Patronatserklärung, dass freiwillige Zahlungen erfolgten.
Auch aus der Vereinbarung deutschen Rechts und eines Gerichtsstandes folge nichts anderes, zumal auch im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gerade der deutsche Raum derartige Patronatserklärungen als unverbindlich angesehen habe. Letztlich gebiete auch die Befristung keine andere Auslegung, da diese auch bei weichen Patronatserklärungen möglich sei, um etwaiges Vertrauen auf die Geschäftspolitik jedenfalls ab diesem Zeitpunkt zu verneinen. Die vorzeitige Änderung der Geschäftspolitik ohne weitere Zahlungsverpflichtungen sei damit nicht ausgeschlossen.
Es bestehe auch kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311 III, 280 I BGB, da die einzig denkbare Pflicht in der Mitteilung der Änderung der Geschäftspolitik bestehe; dieser Pflicht sei die Beklagte am 26.3.2004 nachgekommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Klageforderung weiterverfolgt.
Er vertritt die Auffassung, die Erklärung der Beklagten sei als "harte" Patronatserklärung auszulegen. Auslegungsmaßstab sei der nach außen erkennbare Wille. Danach sei eine Verpflichtung der Beklagten anzunehmen, weil in der Vergangenheit liquide Mittel einschränkungslos zur Verfügung gestellt worden seien. Jedenfalls aus der Perspektive der Schuldnerin habe die Erklärung als Zahlungsverpflichtung wirken müssen, da erhebliche Zahlungen geleistet wurden, ohne dass - wie der Kläger behauptet - Sanierungsvorschläge erfolgt seien oder mit der Einstellung der Zahlungen gedroht worden sei.
Das Festhalten am Wortlaut führe nicht weiter. Ob die Erklärung das Wort "verpflichten" benutze oder nicht, sei eine spitzfindige Differenzierung, die dem wahren Willen nicht gerecht werde. Eine harte Patronatserklärung erfordere auch nicht, dass ausdrücklich eine Verpflichtung übernommen oder Maßnahmen oder Unterlassungen versprochen werden; vielmehr sei die Formulierung "Erfüllung der Geschäftspolitik" ("it meets the buisiness policy") der angelsächsischen Rechtssprache "geschuldet". Auch einzelne Geschäftsgegenstände der Geschäftspolitik könnten rechtsverbindlich Dritten versprochen werden.
Aus der Erklärung, die ausdrücklich nicht an Dritte, sondern nur an den Adressaten, also die Insolvenzschuldnerin gerichtet sei, ergebe sich jedenfalls, dass es sich um eine "harte" Patronatserklärung handele: Zum einen sei der Insolvenzschuldne...