Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung der Aufsichtratsmitglieder einer Aktiengesellschaft

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 20.11.2000; Aktenzeichen 2 O 588/99)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten zu 3) und 4) wird das am 20.11.2000 verkündete Schlussurteil der 2. Zivilkammer des LG Gießen teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.

Die Beklagten zu 3) und 4) werden neben dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 26.130 DM nebst 4 % Zinsen seit 24.12.1999 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) abgewiesen und die Berufungen der Beklagten zu 3) und 4) zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten sowie über die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Von den in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) bis 4) werden dem Kläger 99 % auferlegt. 1 % haben sie selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten zu 3) und 4) können die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 31.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten zu 3)–4) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 94.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 3) und 4) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Beschwer der Beklagten zu 3) und 4) beläuft sich auf 26.130 DM.

Die Beschwer des Klägers beträgt 3.249.870 DM.

 

Tatbestand

Am 3.2.1998 wurde über das Vermögen der AG (im Folgenden Gemeinschuldnerin) das Anschlusskonkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt.

Der Kläger nimmt die Beklagten zu 2) bis 4) als ehemalige Aufsichtsratsmitglieder der Gemeinschuldnerin auf Schadensersatz mit der Begründung in Anspruch, von der Gemeinschuldnerin ausgegebene Aktien seien nicht wirksam eingezahlt und Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt worden.

Der Beklagte zu 1) war Alleinvorstand und Mehrheitsaktionär der im Jahr 1988 gegründeten Gemeinschuldnerin. Nach ihrer Satzung (Bl. 18–20 d.A.) war Gegenstand des Unternehmens das Leasing- und Factoringgeschäft. Zur Erreichung des Gesellschaftszwecks konnten zwecks Kapitalbeschaffung Beteiligungen in der Form der stillen Gesellschaft gewährt werden. Die Gemeinschuldnerin war berechtigt, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen.

Das Grundkapital der Gemeinschuldnerin belief sich zunächst auf 250.000 DM. Es wurde sodann auf 375.000, 550.000 DM und 1.200.000 DM und schließlich durch Beschluss der Hauptversammlung vom 21.12.1993 auf 2.400.000 DM erhöht (Handelsregisterauszug des AG … d.A.), Bereits in der Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung der Gemeinschuldnerin am 28.12.1992, in der die Erhöhung des Grundkapitals um 650.000 DM auf 1.200.000 DM beschlossen wurde, heißt es, dass das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen werden sollte zum Zweck der Ausgabe neuer Aktien auf dem Wege des Wertpapierkaufvertrages im Rahmen des § 5 des 5. VermBG für bereits geleistete Anzahlungen auf den Erwerb von Aktien (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4.7.2000). Das Grundkapital war nach der am 24.11.1994 im Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhung vom 21.12.1993 eingeteilt in 48.000 Stückaktien im Nennbetrag von je 50 DM (Bl. 18 d.A.).

Der Beklagte zu 1) war ebenfalls Alleinvorstand und Mehrheitsaktionär der am 21.12.1990 gegründeten AG. Gegenstand dieses Unternehmens war nach ihrer Satzung (Bl. 331–334 d.A.) u.a. die wirtschaftliche Konzeption, Aufbereitung, Betreuung und Abwicklung von Vermögensanlagen aller Art für andere Unternehmen und die Übernahme von Marketing- und Vertriebsaufgaben, die damit in Zusammenhang stehen sowie die Vermittlung von Eigenkapital für andere Unternehmen. Hauptbetätigung dieser Gesellschaft war der Verkauf von stillen Beteiligungen an der Gemeinschuldnerin im sog. Strukturvertrieb. Ihr stand für jeden vermittelten und verwalteten Vertrag ein Provisionsanspruch ggü. der Gemeinschuldnerin zu.

Die Beklagten zu 2) bis 4) waren Aufsichtsratsmitglieder beider Gesellschaften. Sie nahmen innerhalb des Vertriebsnetzes der AG die Aufgaben von Vertriebsgebietleitern wahr.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 31.12.1991 vereinbarten die Gemeinschuldnerin und die AG, dass die Gemeinschuldnerin in Höhe des am 31.12. eines jeden Jahres zu ihren Gunsten bestehenden Saldos des Verrechnungskontos bei der AG als stille Gesellschafterin an dieser beteiligt wird, ohne dass eine Teilnahme am Verlust stattfinden sollte. Diese Beteiligung sollte mit 2 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber mit 5 % und höchstens mit 10 %, verzinst werden. (S. 3 des internat. Haftbefehls im anliegenden Leitzordner).

Ausweislich des Jahresabschlusses der Gemeinschuldnerin 1991 (im anliegenden Leitzordner) verfügte sie am 31.12.1991 über Darlehensforderungen i.H.v. 1.932.991,36 DM gegen die AG. Nach den Bilanzen der Gemeinschuldnerin (im Leitzordner) belief sich ihre Beteili...

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