Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 20.04.1998; Aktenzeichen 4 O 582/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 20.04.1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 14.661,65 DM.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Gründe
Die Beklagte betreibt ein Omnibusunternehmen. Ihr Geschäftsführer besuchte im Oktober 1996 die Klägerin, die in Erbendorf das Hotel-Restaurant … betreibt und besprach anläßlich seines Besuches die Buchung von Hotelzimmern durch die Beklagte. Nachdem ihr von der Klägerin ein Angebotsschreiben zugesandt wurde, wegen dessen Inhalts auf Blatt 7 d. A. verwiesen wird, fragte die Beklagte bei der Klägerin an, ob diese für die Zeit vom 13.07.1997 bis zum 20.07.1997 für eine Reisegruppe von ca. 48 Personen Hotelzimmer zur Verfügung stellen könnte. Dies wurde seitens der Klägerin mit Telefax vom selben Tage bejaht, woraufhin die Beklagte um Reservierung in der angegebenen Zeit für ca. 48 Personen bat. Die Klägerin reagierte hierauf mit Schreiben vom 29.11.1996 und teilte der Beklagten mit: „Gerne reservieren wir Ihnen verbindlich und fix für Ihre Reisegruppe mit etwa 48 Personen die Zeit vom 13.07. bis 20.07.1997 mit etwa 22 Doppelzimmern und 5 Einzelzimmern”. Am 04.06.1997 sandte die Beklagte an die Klägerin ein Schreiben, in dem es heißt, „leider müssen wir die oben genannte Buchung wegen zu geringer Beteiligung stornieren. Wir bitten um Ihr Verständnis.” Die Klägerin lehnte die Stornierung mit Schreiben vom 05.06.1997 ab und übersandte der Beklagten ihre Rechnung vom 01.08.1997 (Bl. 16, 17 d. A.).
Die Klägerin macht, nachdem seitens der Beklagten eine Zahlung nicht erfolgte, Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend. Sie geht bei der Berechnung des geforderten Betrages von einer Reisegruppe von 45 Leuten aus, setzt die Preise ihres Angebots in Höhe von 76,00 DM pro Person für ein Doppelzimmer und in Höhe von 83,00 DM pro Person für ein Einzelzimmer an und zieht sodann von der Summe wegen ersparter Aufwendungen 30% ab und gelangt so zu der Klageforderung in Höhe von 14.661,65 DM.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Beklagte behauptet, sie sei zur Stornierung der Reise berechtigt gewesen, da in dem Gebiet, in dem die Klägerin ihr Hotel betreibt (südliches Fichtelgebirge) ein Handelsbrauch gelte, nachdem bis zu 4 Wochen vor Reiseantritt kostenlos storniert werden könne.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Sachverständigenstellungnahme der Industrie- und Handelskammer München zu der Frage, ob der von der Beklagten behauptete Handelsbrauch besteht bzw. zum fraglichen Zeitpunkt (1996/1997) im Gebiet des südlichen Fichtelgebirges bestand. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gutachterliche Äußerung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern vom 11.07.2000 (Bl. 141 d. A.) Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu, da durch die Beklagte die zwischen den Parteien geschlossene „Reservierungsvereinbarung” nicht storniert werden konnte. Ein entsprechendes Rücktrittsrecht ergibt sich weder aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen, noch kann nach durchgeführter Beweisaufnahme davon ausgegangen werden, daß sich ein solches Rücktrittsrecht aus Handelsbrauch ergibt.
Die Industrie- und Handelskammer München führt in ihrer Stellungnahme vom 11.07.2000 aus, daß sie bei 135 Reiseveranstaltern und 150 Hotelbetrieben hinsichtlich der Stornierung von Buchungen von Reisegruppen angefragt habe. Auf ihre Anfrage bei Reiseveranstaltern habe sie 25 Rückläufe und auf ihre Anfrage bei Hotelbetrieben 34 Antworten erhalten. 75% der Reiseveranstalter hätten erklärt, sie würden bis 4 Wochen vor Reiseantritt Buchungen von Reisegruppen stornieren. Bei den Hotelbetrieben, die geantwortet hätten, würden 60% in Geschäftsbeziehungen zu Reiseveranstaltern stehen und Reisegruppen aufnehmen. Drei der Hotelbetriebe, die auf die Anfrage der IHK reagierten, hätten angegeben, kostenfreie Stornierungen völlig abzulehnen. Bis auf 2 weitere Ausnahmen, so heißt es in der gutachterlichen Äußerung der IHK weiter, pendele sich die Möglichkeit zur kostenlosen Stornierung bei 4–6 Wochen vor Ankunft ein. Eine schriftliche Fixierung erfolge nur bei 2 Betrieben. Schließlich heißt es, daß die Frage der Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund der Stornierung von den Hotel betrieben fallweise geregelt werde. Als Gründe für den Verzicht auf die Durchsetzung von Ansprüchen werde in erster Linie die Pflege der Geschäftsverbindungen und Kulanz gegenüber den stornierenden Reiseveranstaltern genannt.
Nach all dem kann von einer „herrschenden” tatsächlichen Übung, wie sie die Beklagte für den Bereich des Fichtelgebirges behauptet, keine Rede sein. Es kann...