Entscheidungsstichwort (Thema)
AG: Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen
Leitsatz (amtlich)
1. § 139 BGB ist im Verhältnis verschiedener Beschlussfassungen einer aktienrechtlichen Hauptversammlung zueinander nicht anzuwenden.
2. Ein Beschluss einer Hauptversammlung zur Auflösung der AG kann wegen eines Informationsmangels anfechtbar sein.
Normenkette
AktG §§ 241, 262
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-5 O 2/08) |
Gründe
I. Die Kläger wenden sich als Aktionäre gegen die Wirksamkeit verschiedener Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7.12.2007, die sie für nichtig, jedenfalls aber anfechtbar halten.
Die Kläger und ihre Streithelfer waren bei Bekanntmachung der Tagesordnung und sind noch Aktionäre der Beklagten, deren Beschlüsse zu TOP 2 (Gewinnverwendung), TOP 6 (Ausschüttung aus der gebundenen Kapitalrücklage über Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nebst Kapitalherabsetzung) und TOP 8 (Auflösung und Liquidatorenbestellung) sie erstinstanzlich angegriffen haben, wobei die Kläger jedenfalls zu TOP 8 Widerspruch gegen die Beschlussfassung erhoben hatten. Zu den Einzelheiten der Beschlussfassungen wird auf die Niederschrift des Notars N1 (UR-Nr. .../07) verwiesen (Anl. B 1, Bl. 146-155 d.A.). Zu der vor der Beschlussfassung gestellten Aktionärsfrage, warum die Auflösung gerade zum 10.1.2008 erfolgen solle, erteilte der Vorstand eine Antwort nicht.
Die Kläger und ihre Streithelfer haben zu der Auflösungsentscheidung behauptet, es habe sich insoweit um eine mit der Gewinnverwendung und der Ausschüttung aus der gebundenen Kapitalrücklage einheitliche Maßnahme gehandelt, denn der Vorstand habe mit der Auszahlung erreichen wollen, dass der Firmenmantel leichter hätte verwertet werden können.
Das LG hat die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 6 als nichtig festgestellt, weil die Anknüpfung der Gewinnverwendung, die auch für die Rücklageentscheidung von Bedeutung sei, an einen nur in einem Zwischenabschluss berechneten Gewinn dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht entspräche. Zu der Auflösungsentscheidung hat es die Klage abgewiesen, weil diese nicht gerichtlich nachprüfbar sei und eine Informationspflichtverletzung nicht vorliege. Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 188-199 d.A.).
Die Kläger verfolgen mit ihren Berufungen die Unwirksamkeit der Beschlussfassung zu TOP 8 weiter und wenden ein, TOP 8 sei schon deshalb nichtig, weil der Beschluss mit denen zu TOP 2 und TOP 6 einheitlich gewollt gewesen sei, womit sich das LG nicht auseinander gesetzt habe. Es habe auch ein Informationsmangel vorgelegen, weil nicht auf die Motive des Vorstands eingegangen worden sei, die Auflösung gerade zu 10.1.2008 vorzuschlagen.
Die Klägerin zu 1.) beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 7.12.2007 gefassten Beschluss zu Tagesordnungspunkt 8 (Auflösung der Gesellschaft) für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass der vorbezeichnete Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 7.12.2007 nichtig ist.
Der Kläger zu 2.) beantragt, wie folgt zu entscheiden: Das Urteil des LG wird teilweise abgeändert. Über die festgestellte Nichtigkeit der Beschlussfassungen der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7.12.2007 zu den Tagesordnungspunkten Nr. 2 und Nr. 6 hinaus wird auch der von der vorgenannten Hauptversammlung gefasste Beschluss zu Tagesordnungspunkt Nr. 8 betreffend die Auflösung der Gesellschaft mit folgendem Wortlaut: " 8. Auflösung der Gesellschaft/Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, die Gesellschaft zum Stichtag 10.1.2008 aufzulösen und zu Abwicklern die Vorstandsmitglieder A und B zu bestimmen." für nichtig erklärt.
Die Streithelfer stellen keine Anträge.
Die Beklagte beantragt, die Berufungen der Kläger zu 1.) und 2.) zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt insoweit das Urteil und macht geltend, die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 8 seien infolge des Entschlusses zur Auflösung vorgeschlagen worden.
II. Die Berufungen der Kläger sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden. Die Rechtsmittel haben Erfolg, weil das Urteil des LG im Umfang der Klageabweisung - aus der Sicht des Berufungsgerichts - auf einem Rechtsfehler beruht und das Ergebnis auch nicht wegen einer abweichenden, sich aus § 529 Abs. 1 ZPO ergebenden Tatsachengrundlage im Berufungsverfahren zu halten ist, § 513 Abs. 1 ZPO. Der Beschluss zu TOP 8 ist allerdings nicht wegen seines Zusammenhangs mit den nichtigen Beschlüssen zu TOP 2 und TOP 6 nach § 241 Nr. 3 AktG i.V.m. § 139 BGB nichtig. Denn § 139 BGB ist hier nicht anzuwenden. Dass für Versammlungsbeschlüsse § 139 BGB anwendbar ist, wenn sie über interne Organisationsakte hinausgehen (vgl. BGH vom 10.9.1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 für WEG-Beschluss; BGH vom 15.11.1993 - II ZR 235/92, BGHR AktG 108 Abs. 1 "Teilnichtigkeit 1"; auch ...