Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 18.06.1997; Aktenzeichen 2 O 700/96)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 18.06.1997 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das genannte Urteil abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, über das bereits gezahlte und zuerkannte Schmerzensgeld weitere 50.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.05.1996 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Auf die in zweiter Instanz erweiterte Klage wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.072,22 DM nebst 4 % Zinsen seit 26.02.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die erweiterte Klage abgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz entfallen auf den Kläger 11 % und auf den Beklagten 89 %.

Von den Kosten der zweiten Instanz haben der Kläger 17 % und der Beklagte 83 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 150.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung unter denselben Voraussetzungen gegen Sicherheit von 3.000,00 DM abwenden.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische und unbefristete Bürgschaften eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen Kreditinstituts erbracht werden.

Der Kläger ist mit weniger als 60.000,00 DM beschwert, der Beklagte ist mit mehr als 60.000,00 DM beschwert.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und Ersatz materiellen Schadens wegen der Folgen eines ärztlichen Diagnoseversehens.

Er wurde am 27.06.1990 in der 36. Schwangerschaftwoche geboren und drei Tage später aus dem Krankenhaus entlassen.

Am 15.07.1990 suchten die Eltern des Klägers mit ihm den kinderärztlichen Notdienst auf, weil bei dem Kind Fieber und eine Schwellung des Oberschenkels aufgetreten sowie starke Unruhe und schreckhaftes Weinen aufgefallen waren.

Den Notdienst übte der Beklagte aus. Er stellte die Diagnosen "Durstfieber" und "starke Blähungen" und verordnete ein blähungshemmendes Mittel; er empfahl reichliche Flüssigkeitszufuhr.

Das Fieber ging bis zum 18.07.1990 zurück; der Kläger zeigte jedoch weiterhin schreckhaftes Weinen; die Schwellung des Oberschenkels ging (ebenfalls) nicht zurück.

Am 21.07.1990 - einem Samstag - konsultierten die Eltern des Klägers mit ihm wiederum den kinderärztlichen Notdienst; die rechte Hüfte war unübersehbar stark angeschwollen. Der nunmehr mit dem Notdienst betraute Kinderarzt wies den Kläger in eine Kinderklinik ein.

Dort wurde eine Osteomyelitis diagnostiziert; eine sofort eingeleitete antibiotische Therapie sowie mehrere beidseitige Punktionen der Hüftgelenke führten nicht zu einer folgenlosen Wiederherstellung des Klägers.

Der Kläger leidet unter Wachstumsstörungen im Oberschenkelbereich; aufgrund von Beinlängendifferenzen bis zu 4 cm entwickelte sich eine Außenrotationsstellung rechts und ein hinkendes Gangbild; die Beinmuskulatur rechts ist verschmächtigt. Der Kläger wurde bereits mehrfach operativ behandelt; die Notwendigkeit weiterer Operationen steht im Räume.

Nachdem sich die Kläger zunächst erfolglos an die Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen gewandt hatten (Bescheid vom 23.08.1993, Bl. 10 ff d.A.), erteilte diese am 21.10.1994 einen abändernden Bescheid und stellte unter anderem fest: "Es gehört zu den Grundkenntnissen jeden Kinderarztes, daß bei Säuglingen... Trinkschwäche und Fieber Anlaß sein müssen, an einen entzündlichen Prozeß zu denken und durch entsprechende Diagnostik den Ursachen auf den Grund zu gehen. Das Unterlassen weiterer Diagnostik war deshalb im vorliegenden Fall schlechthin unverständlich."

Vorprozessual zahlte die Berufshaftpflichtversicherung des Beklagten an den Kläger auf Schmerzensgeldansprüche einen Betrag von 50.000,00 DM, auf Ersatzforderungen wegen materieller Schäden 2.006,06 DM.

Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe grob fahrlässig eine Fehldiagnose gestellt.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch DM 115.000,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 25.05.1996 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 23.583,76 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 25.05.1996 zu zahlen,

3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftige materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der Falschbehandlung am 15.07.1990 entstehen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

4. den Beklagten gemäß seinem nachfolgenden Teil-Anerkenntnis zu verurteilen.

Der Beklagte hat den Feststellungsantrag mit der Maßgabe anerkannt, daß er verpflichtet sei, dem Kläger die Hälfte seiner zukünftigen materiellen und immaterielen Schäden zu ersetzen, die aus der Behandlung vom 15.07.1990 entstehen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonsti...

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