Verfahrensgang
LG Hanau (Entscheidung vom 05.09.1988; Aktenzeichen 7 O 459/87) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 5. September 1988 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 167.356,16 DM abwenden, die auch durch unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft der xxx erbracht werden kann, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der Wert der Beschwer beträgt 200.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche als Beifahrerin des Beklagten aus einem am xx.5.1986 erlittenen Verkehrsunfall geltend. Sie saß bei der nächtlichen Fahrt auf der Autobahn A xxx von xxx nach xxx mit der Zeugin xxx auf den Rücksitzen des Pkws Marke xxx, während auf den Vordersitzen der Beklagte als Fahrer und der Zeuge xxx als Beifahrer saßen. Die vier jungen Leute hatten einen Tagesausflug von xxx an die xxx gemacht, hatten in xxx noch bis 23 Uhr ein Tanzlokal aufgesucht und befanden sich seitdem auf der Heimfahrt in tiefdunkler Nacht, als es gegen 2 Uhr bei Kilometerstein 36,8 im Gemeindebezirk xxx zu einem folgenschweren Verkehrsunfall kam, an dem nur der Pkw des Beklagten beteiligt war. Ohne Gegenverkehr und vorausfahrenden Verkehr gehabt zu haben, kam der Pkw plötzlich nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr noch etwa 100 Meter auf dem rechten Grasstreifen und prallte dann gegen den Betonsockel eines an der Autobahn stehenden Hinweisschildes. Durch den Anprall wurden alle vier Insassen schwer verletzt. Unstreitig fuhr der Beklagte nur mit Abblendlicht und gab und gibt seine Geschwindigkeit mit etwa 100 km/h an.
Die Klägerin, die von der Feuerwehr aus dem zusammengedrückten Fahrzeugwrack herausgeschnitten werden musste, hat den Beklagten wegen schuldhaft verursachter Körperverletzung auf Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung für allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden in Anspruch genommen und ausgeführt, dass nach ihrer Ansicht der Beklagte infolge Müdigkeit von der Fahrbahn abgekommen sei, zumal er das angebliche Hindernis auf der Fahrbahn zu spät erkannt habe.
Bei dem Unfall erlitt die Klägerin, indem sie bei dem Anprall nach vom geschleudert wurde, eine Luxationsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers und des 1. Lendenwirbelkörpers mit Berstungsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers und inkompletter linksbetonter Cauda-Symptomatik mit distal betonter Paraparese. Hieraus resultiert auf Dauer eine Funktionsstörung der Harnblase und des Mastdarms. Außerdem erlitt die Klägerin ein schweres Hirnsyndrom im Sinne einer Contusio cerebri. Sie wurde zunächst 4 1/2 Monate in einem Spezialkrankenhaus für Querschnittgelähmte stationär behandelt. Inzwischen ist eine Besserung dahin eingetreten, dass die Klägerin nach Einbau einer Spinalplatte und Verfestigung der auf Dauer zwischen Lenden- und Brustwirbeln 20 Grad nach vorn abgeknickten Wirbelsäule mit Hilfe von Stöcken wieder laufen kann, wobei sie sich infolge der verbliebenen Lähmungserscheinungen und Muskelatrophie in den Beinen nur watschelnd vorwärts bewegen kann. Ihre beruflichen Pläne, Sportlehrerin zu werden, haben sich durch den Unfall zerschlagen, auch eine Anstellung als Beamtenanwärterin bei der Stadt xxx ist an den verbliebenen Unfallfolgen gescheitert. Sie hat nunmehr einen Ausbildungsplatz als Behinderte bei den xxx für den Beruf eines Industriekaufmanns mit Hilfe einer Behindertenstiftung erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zuzüglich 4 % Zinsen seit 19.8.1986 zu zahlen,
ferner,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 19.5.1986 gegen 2.06 Uhr auf der Bundesautobahn A xxx in der Gemarkung xxx (xxx) zu erstatten, soweit nicht Übergang auf den Sozialleistungsträger erfolgt ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen: Zu dem Unfall sei es dadurch gekommen, dass er einem plötzlich auf der Fahrbahn aufgetauchten Hindernis, wohl einem Wild, habe ausweichen müssen, das etwa 80 m vor ihm sich auf der Fahrbahn bewegt habe. Das Ausweichen sei keine willentliche, sondern eine unwillkürliche Körperbewegung gewesen. Schließlich habe die Klägerin sich nicht angeschnallt gehabt und trage deshalb ein Mitverschulden an den schweren Verletzungen.
Das Landgericht hat die Zeugen xxx und xxx sowie den Beklagten vernommen, ferner ein verkehrstechnisches und ein medizinisches Gutachten eingeholt sowie die Strafakten 9 Js 11022/86 jug Ds zum Gegenstand der Verhandlung gemacht, wonach der Beklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung vom Jugendgericht Bingen am 22.1.1987 zur Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu jeweils 20 DM verurteilt worden ist, weil er mit etwa 120 km/h mit Abblendlicht gefahren sei und dadurch das Wild zu spät erkannt habe.
Durch das angefochte...