Entscheidungsstichwort (Thema)
Schneller als 40 km/h = Verstoß gegen das Sichtfahrgebot
Leitsatz (amtlich)
Wer bei Dunkelheit mit Abblendlicht auf einer geraden, regennassen Landstraße schneller als 40 km/h fährt, verstößt gegen das Sichtfahrgebot nach § 3 Abs. 1 StVO.
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 18.12.2001; Aktenzeichen 1 O 512/99) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 18.12.2001 verkündete Grundurteil der 1. Zivilkammer des LG Aachen - 1 O 512/99 - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das genannte Urteil teilweise abgeändert:
Unter Abweisung der weiter gehenden Klage werden die Klageansprüche dem Grunde nach zu 20 % für gerechtfertigt erklärt.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem landgerichtlichen Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1) ist die Witwe und Alleinerbin, die Kläger zu 2) und 3) sind die Kinder des am 26.11.1996 bei einem Verkehrsunfall auf der L zwischen N. und B. tödlich verunglückten Sanitär- und Heizungsbaumeisters H. S. Die Kläger nehmen die Beklagte zu 1) als Fahrerin und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des gegnerischen Pkws auf Schadensersatz in Anspruch.
Am 26.11.1996 gegen 17.30 Uhr befuhr der Ehemann der Klägerin zu 1) mit seinem Pkw Nissan Micra die L. in Richtung B. Vor ihm fuhr der Zeuge C. mit seinem Pkw VW Sharan. Hinter der Ortschaft N. überholte der Ehemann der Klägerin zu 1) den Zeugen C., stoppte ihn, stieg aus und ging auf das Fahrzeug des Zeugen C. zu. Zur gleichen Zeit befuhr die Beklagte zu 1) mit dem Pkw VW Polo ihres Ehemannes die regennasse L. (Fahrbahnbreite 6,4 m) in entgegengesetzter Richtung mit einer Geschwindigkeit von unter 100 km/h. Sie kollidierte ungebremst mit dem sich auf der Fahrbahn als Fußgänger befindlichen Ehemann der Klägerin zu 1). Dieser blieb 38 Meter hinter der Anstoßstelle liegen. Noch am Unfalltag verstarb er an den Unfallfolgen. In dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren - 49 Js 23/97 StA Aachen - erstattete der Sachverständige W. ein Gutachten zum Unfallhergang, in dem er zu dem Ergebnis kam, dass der Unfall für die Beklagte zu 1) nur bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von maximal 45 km/h, bei der ihr ein Anhalten innerhalb ihrer Sichtweite möglich gewesen wäre, und bei erhöhter Aufmerksamkeit auf den linken Fahrstreifen vermeidbar gewesen wäre. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen W. vom 23.12.1996 (Bl. 28 ff. der Beiakte 94 Js 23/97 StA Aachen) Bezug genommen.
Mit ihrer Klage nehmen die Kläger die Beklagten auf Schadensersatz wegen der Bestattungskosten und ihrer Unterhaltsschäden in Anspruch.
Sie haben behauptet, der Ehemann der Klägerin zu 1) habe sein Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand angehalten und beim Aussteigen eine orangefarbene Jacke getragen. Er habe sich nicht auf der Fahrbahnhälfte der Beklagten zu 1) befunden. Die Beklagte zu 1) habe offensichtlich die vor ihr liegende Fahrbahn nicht beobachtet, obwohl der Ehemann der Klägerin zu 1) für sie im Scheinwerferlicht des Zeugen C. wahrnehmbar gewesen sei. Sie habe auch nicht reagiert, als er sich in ihrem eigenen Scheinwerferlicht befunden habe. Sie hätte den Unfall vermeiden können, wenn sie mit angemessener Geschwindigkeit und unter Beachtung des Rechtsfahrgebots gefahren wäre.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
1. an die Klägerin zu 1) 22.902,82 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.12.1996 zu zahlen,
2. an die Klägerin zu 1)
a) 180.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.6.1998 (Mitteldatum) und
b) ab 1.12.1999 eine monatlich im voraus zahlbare Unterhaltsrente von 5.000 DM zu zahlen,
1. an die Klägerin zu 2)
a) 119.039,40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.6.1998 (Mitteldatum) und
b) ab 1.12.1999 eine monatlich im voraus zahlbare Unterhaltsrente von 3.306,65 DM zu zahlen,
1. an den Kläger zu 3)
a) 78.377,40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.6.1998 (Mitteldatum)
b) ab 1.12.1999 eine monatlich im voraus zahlbare Unterhaltsrente
von 2.177,15 DM zu zahlen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
Sie haben behauptet, der Ehemann der Klägerin zu 1) habe durch scharfes Abbremsen den Zeugen C. zum Anhalten genötigt und sein eigenes Fahrzeug in einer Entfernung von 40 cm zum Mittelstreifen angehalten. Nachdem der Ehemann der Klägerin zu 1) ausgestiegen sei, sei er in dunkler Kleidung wild gestikulierend auf den Pkw des Zeugen C. zugekommen, ohne auf den aus Richtung B. nahenden Verkehr zu achten. Er habe sich hierbei mindestens einen halben Meter auf der Gegenfahrbahn befunden. Für die Beklagte zu 1) sei der Unfall unvermeidbar gewesen. Sie haben die Ansicht vertreten, die Beklagte zu 1) treffe kein Verschulden. Dagegen habe der Ehemann der Klägerin zu 1) grob schuldhaft gehandelt. Ihn treffe in jedem Fall ein überwiegendes Verschulden. Darüber hinaus haben die Beklagten auch teilweise den geltend gemachten Schaden bestritten.
Nach Beweisaufnahme hat das LG durch Grundurteil vom 18.12.2...