Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsrecht und gewerblicher Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Bei entsprechender Anwendung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften, die es dem Apotheker unter dem Gesichtspunkt der verlängerten Rezeptur erlauben, Fertigarzneimittel ohne Zulassung herzustellen und in den Verkehr zu bringen, ist es dem Apotheker unter bestimmten Umständen des Einzelfalls erlaubt, "arzneimittelähnliche" Medizinprodukte (hier: Hyaluron-Natrium-Fertigspritzen zur Anwendung bei Gelenkerkrankungen) aufgrund einer Individualrezeptur mit den Mitteln des apothekenüblichen Betriebs ohne Ce-Kennzeichnung herzustellen und in den Verkehr zu bringen.
Normenkette
AMG §§ 4, 13, 21; MPG §§ 3, 6
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.05.2005; Aktenzeichen 3-11 O 175/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.5.2005 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs aufgrund einer ärztlichen Verordnung für Praxisbedarf Hyaluronsäure-Natrium-Fertigspritzen in den Verkehr zu bringen oder in den Verkehr bringen zu lassen, die nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind, insb. wenn das geschieht wie nachfolgend eingelichtet, (kann aus technischen Gründen nicht dargestellt werden - die Red.).
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR, die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist ein Wettbewerbsverband; der Beklagte betreibt eine Apotheke. Der Beklagte stellt in seiner Apotheke her und vertreibt
Hyaluronsäure-Natrium-Fertigspritzen zur intraartikulären Anwendung bei Gelenkerkrankungen. Hyaluronsäure ist der natürliche Hauptbestandteil der im Körper vorhandenen Gelenkflüssigkeit und verleiht dieser die zur Schonung des Gelenks erforderliche Viskosität und Elastizität. Bei einem von Arthrose befallenen Gelenk ist die körpereigene Gelenkflüssigkeit nicht mehr in ausreichendem Maß vorhanden. Mit dem streitgegenständlichen Erzeugnis wird daher dem Gelenk fehlende Hyaluronsäure durch Injektion von außen zugeführt. Dadurch soll die Viskosität der Gelenkflüssigkeit verbessert werden. Zur Herstellung der Fertigspritzen löst der Beklagte die von ihm als Rohsubstanz bezogene Hyaluronsäure in Kochsalzlösung, stellt die Lösung auf den physiologischen PH-Wert des Körpers ein und füllt die Lösung in Spritzen ab, die sodann steril verpackt werden.
Herstellung und Abgabe der Fertigspritzen, die weder über eine CE-Kennzeichnung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) noch über eine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verfügen, erfolgen teils auf ärztliche Verordnung für einen bestimmten Patienten; teils gibt der Beklagte die Spritzen an Ärzte für deren Praxisbedarf ab.
Die Klägerin sieht in den Hyaluron-Natrium-Fertigspritzen ein Medizinprodukt und hat den Beklagten daher auf Unterlassung des Inverkehrbringens dieser Spritzen ohne CE-Kennzeichnung sowie auf Erstattung der Kosten für die erfolglose Abmahnung in Anspruch genommen. Der Beklagte sieht in den Spritzen ein Arzneimittel, zu dessen Herstellung und Abgabe in seiner Apotheke er sich nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG berechtigt hält. Im Übrigen ist der Beklagte der Auffassung, dass - wollte man die Spritzen als Medizinprodukt einstufen - eine nicht kennzeichnungspflichtige Sonderanfertigung i.S.v. § 3 Nr. 8 MPG vorliege.
Das LG, auf dessen Urteil wegen der übrigen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), hat die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren nach Maßgabe der nachfolgend wiedergegebenen Anträge sowie das Zahlungsbegehren weiter. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Hyaluronsäure-Natrium-Fertigspritzen zur intraartikulären Anwendung bei Gelenkerkrankungen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, die nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind, insb. wenn dies geschieht wie nachstehend eingelichtet, (kann aus technischen Gründen nicht dargestellt we...