Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 09.03.2022; Aktenzeichen 4 O 686/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers und Berufungsklägers gegen das am 09.03.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau (4 O 686/21) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger und Berufungskläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 13.477,99 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung seiner Klage, mit der er die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen des Erwerbs eines mit einer vorgeblich unzulässigen Abschalteinrichtung für das Abgasreinigungssystem versehenen Gebrauchtfahrzeugs in Anspruch genommen hat.

Der Kläger erwarb am 13.09.2018 von einem Dritten einen erstmals am 10.03.2015 zugelassen VW Passat, 2.0 l TDI (BlueMotion) Comfortline, der zum Zeitpunkt der Übergabe einen Kilometerstand von 46.200 km aufwies. Die Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) des Fahrzeugs lautet .... Der Kaufpreis betrug 16.500,00 EUR brutto. Das Fahrzeug verfügt über einen von der Beklagten entwickelten und in den Verkehr gebrachten Dieselmotor mit der Bezeichnung EA288, der der Euro 6-Abgasnorm unterliegt und eine Leistung von 110 KW erbringt. Die Abgasreinigung erfolgt mittels NOx-Speicherkatalysators (NSK-Katalysator). Eine andere Methode für die Reinigung von Dieselabgasen ist der Einsatz eines Selective Catalytic Reduction (SCR)-Katalysators (sog. AdBlue-Technologie), die im klägerischen Fahrzeug nicht verwendet wird. Der Umfang der Abgasreinigung ist u.a. abhängig von der Temperatur der Außenluft (sog. Thermofenster).

Am 20.11.2023 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 116.154 km auf.

Nachdem die Beklagte im Herbst 2015 öffentlich eingeräumt hatte, in Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA189 eine unzulässige Abschalteinrichtung des Abgasreinigungssystems in Form einer Prüfstanderkennung eingebaut zu haben, untersuchte das Kraftfahrt-Bundesamt Motoren verschiedener Hersteller auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen und veröffentlichte das Ergebnis in einem Bericht am 22. April 2016. Zu den untersuchten Motoren gehörten auch Motoren des Typs EA288 der Emissionsklassen Euro 5 und Euro 6. Das Kraftfahrt-Bundesamt kam dabei zu dem Ergebnis, dass sich Hinweise, wonach die aktuell laufende Produktion der Fahrzeuge mit den Motoren der Baureihe EA288 (Euro 6) ebenfalls von der Abgasmanipulation betroffen sein könnte, als unbegründet erwiesen hätten.

Weitere Untersuchungen von Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA288 erfolgten in den Jahren 2017 bis 2019 im Zuge der Genehmigung freiwilliger Software-Updates, wie sie im Rahmen des N. F. D. vereinbart worden waren, und schließlich in den Jahren 2019 bis 2020 im Zuge spezifischer Feldüberwachungen an verschiedenen aus dem Feld gezogenen EA288-Fahrzeugen. Auch bei diesen Untersuchungen stellte das Kraftfahrt-Bundesamt für Fahrzeuge mit EA288-Aggregate (Euro 5 und Euro 6 mit SCR bzw. NSK) fest, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut seien.

Das Fahrzeug unterliegt keinem amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung des Abgasreinigungssystems. Das Fahrzeug erhielt am 20.08.2021 ein Software-Update, mit welchem die bislang installierte Fahrkurve entfernt wurde.

Das Kraftfahrt-Bundesamt erklärte gegenüber mehreren Gerichten in Rechtsstreiten, die Schadensersatzansprüche wegen vorgeblich unzulässiger Abschalteinrichtungen beim Motor EA288 mit NSK zum Gegenstand hatten, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden sei, und zwar weder eine unzulässige Fahrkurvenerkennung noch eine unzulässige Prüfstanderkennung.

So hieß in einer gerichtsbekannten amtlichen Auskunft an das Landgericht Bayreuth vom 25.02.2020 zum hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp: Das KBA führte insgesamt sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit den Motoren des Entwicklungsauftrags (EA) 288 durch. Es wurde weder bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugtypen VW Passat 2,0l Diesel 110 KW Euro 6 noch bei einem anderen Fahrzeug, welches ein Aggregat des EA 288 aufweist und durch das KBA untersucht wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.

Es wurden daher weder Nebenbestimmungen angeordnet, noch besteht ein behördlich angeordneter Rückruf aufgrund unzulässig eingestufter Abschalteinrichtungen.

Das streitgegenständliche Fahrzeug VW Passat 2,0l Diesel 110 KW Euro 6 (...) weist daher nach den Untersuchungen des KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung auf.

Die Funktion Umschaltlogik in der Motorsteuerung der Aggregate des Entwicklungsauftrags (EA) 288 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Gre...

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