Entscheidungsstichwort (Thema)
Kondizierbarkeit der irrtümlich gezahlten Versicherungssumme trotz fehlerhafter Einbeziehung einer Lebensversicherung in das Versorgungsausgleichsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Bezieht das Familiengericht rechtsfehlerhaft eine private Rentenversicherung nach Ausübung des Kapitalwahlrechts im Rahmen der internen Teilung in den Versorgungsausgleich ein, führt der Eintritt der Rechtskraft des Versorgungsausgleichsbeschlusses unmittelbar zur Kürzung der Ablaufleistung bei dem ausgleichspflichtigen Versicherungsnehmer mit der Folge, dass eine irrtümlich geleistete, ungeschmälerte Kapitalleistung in Höhe des gekürzten Anrechts vom Versicherungsnehmer zurückverlangt werden kann.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 2; VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 3; ZPO § 322
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 08.06.2021; Aktenzeichen 7 O 1358/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 08.06.2021 (Az. 7 O 1358/20) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.634,71 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt als Versicherer von der Beklagten als Versicherungsnehmerin die Rückzahlung eines Teils der Kapitalleistung aus einer privaten Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht i.H.v. 10.183,58 EUR. Die Beklagte unterhält bei der Klägerin unter der Versicherungsnummer ... eine private Rentenversicherung mit Versicherungsbeginn 01.12.2002 und Rentenbeginn zum 01.12.2019 mit einem garantierten Kapitalwert in Höhe von 30.697,99 EUR zuzüglich Überschussbeteiligung und Beteiligung an den Bewertungsreserven.
Im Jahr 2018 betrieb die Beklagte als Antragstellerin vor dem Amtsgericht Stadt1 im Rahmen der Ehescheidung ein Versorgungsausgleichsverfahren (Az. ...). Zur Vorbereitung der Entscheidung forderte das Amtsgericht die Klägerin mit Schreiben vom 25.05.2018 zur Auskunft über Versorgungsrechte bezogen auf die Ehezeit vom 01.05.2007 bis 31.03.2018 auf. Mit Schreiben vom 11.06.2018 übersandte die Klägerin dem Familiengericht die erbetene Auskunft, in der sie als Bezugsgröße einen Kapitalwert von 31.537,64 EUR auswies, hiernach den Ehezeitanteil mit 19.469,42 EUR bemaß und einen Ausgleichswert nach Abzug der Teilungskosten von 9.634,71 EUR vorschlug.
Mit Schreiben vom 09.07.2019 übersandte die Klägerin der Beklagten im Hinblick auf den bevorstehenden Rentenbeginn einen Antwortbogen, welcher der Beklagten die Wahl zwischen einer Kapitalabfindung und zwei Rentenmodellen ließ. Konkrete Kapitalwerte waren darin nicht genannt. Die Klägerin übersandte den Antwortbogen mit Datum 10.09.2019 an die Beklagte zurück, wobei darin angekreuzt ist, dass sie die Kapitalabfindung wähle.
Ebenfalls am 10.09.2019 fand vor dem Amtsgericht Stadt1 ein Termin zur mündlichen Verhandlung über die Ehescheidung und die Folgesachen statt, bei dem ausweislich des Protokolls in persönlicher Anwesenheit der Beklagten "der durchzuführende Versorgungsausgleich" erörtert wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 10.09.2019 Bezug genommen (Anlagenband). Die Klägerin nahm, der Üblichkeit entsprechend, am Termin nicht teil. Mit am 25.09.2019 verkündetem Beschluss, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage BLD 3 (Anlagenband) Bezug genommen wird, führte das Amtsgericht Stadt1 zusammen mit dem Scheidungsausspruch den Versorgungsausgleich mit u.a. dem Tenor "Zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei dem Versorgungsträger Versicherung1 AG (Versicherungsnummer: ...) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 9.634,71 EUR nach Maßgabe der Versorgungsregelung Teilungsordnung, bezogen auf den 31.03.2018, übertragen" durch. In den Gründen nahm das Amtsgericht Bezug auf die vorgenannte Mitteilung der Klägerin vom 11.06.2018.
Mit Abrechnungsschreiben vom 29.11.2019 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ihr eine Kapitalabfindung i.H.v. 33.741,95 EUR, mithin den ungeteilten Kapitalwert, auszahlen werde, was zum 01.12.2019 auch geschah.
Der Versorgungsausgleichsbeschluss erwuchs am 24.02.2020 in Rechtskraft, wobei weder die Klägerin noch die Beklagte Rechtsmittel einlegten.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, gestützt auf einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, den Ausgleichswert i.H.v. 9.634,71 EUR zuzüglich der rechnungsmäßigen Verzinsung i.H.v. 3,25% zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetr...