Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Plattformbetreibers
Leitsatz (amtlich)
1. Wird der Betreiber einer Verkaufsplattform auf Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften hingewiesen (hier: Bezeichnung eines Sojaproduktes als "Milch"), besteht eine Pflicht zur Verhinderung künftiger gleichartiger Verletzungshandlungen auch jenseits des konkreten Angebots.
2. Durch die Kennzeichnung eines Angebots als "amazon's choice für reismilch" macht sich der Anbieter der Verkaufsplattform den Begriff nicht zu eigen, wenn der Verkehr erkennt, dass nur das vom Nutzer eingegebene Suchwort wiedergegeben wird.
Normenkette
DSA Art. 6 Abs. 1; TMG § 7 Abs. 2, 3 S. 1, § 10 Abs. 1; UWG §§ 3a, 8 Abs. 3; VO (EU) Nr. 1308/2013 Art. 78 Abs. 1c, 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.09.2022; Aktenzeichen 3-12 O 42/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das am 02.09.2022 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main (3-12 O 42/21) werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Unterlassungstenor zwischen den Wörtern "bei Meidung eines Ordnungsgeldes" und "zu unterlassen" ergänzend heißt:
"(von bis zu EUR 250.000,-) - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,".
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger ein Drittel und die Beklagte zwei Drittel.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von.70.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung des Unterlassungstenors Sicherheit in Höhe von 50.000 Euro und im Übrigen Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach beiden Urteilen für die Beklagte vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird beschränkt auf die Zurückweisung der Berufung gegen die Stattgabe der Klageanträge zu 1 a) und 2) zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 75.000 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen unlauterer Angaben auf ihrer Online-Plattform auf Unterlassung und Zahlung einer Abmahnkostenpauschale (nebst Zinsen) in Anspruch.
Die zum Amazon-Konzern gehörende Beklagte betreibt unter der Domain www.(...).de die Verkaufsplattform Amazon-Marketplace (vgl. das Impressum in Anlage B1). Über diese Plattform können gewerbliche Anbieter Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkaufen.
Jedes auf dem Amazon-Marketplace angebotene Produkt verfügt über eine sog. ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer). Es wird unter dieser Nummer auf einer Produktseite durch verschiedene Verkäufer zum Kauf angeboten (vgl. die Wiedergaben unten unter: "Andere Verkäufer auf Amazon").
Der Kläger wies die Beklagte mit Schreiben vom 17.06.2021 darauf hin, dass auf ihrer Plattform zahlreiche Produkte mit den für rein pflanzliche Lebensmittel unzulässigen Angaben "Sojamilch", "Hafermilch" und "Reismilch" beworben würden. Er forderte sie dazu auf, nicht nur die konkreten Produktangebote unverzüglich zu sperren, sondern auch dafür zu sorgen, dass dasselbe rechtswidrige Angebot nicht bei einem anderen Händler erscheine, derselbe Händler nicht mit der unzulässigen Angabe für dieselben Produktkategorien werbe und nicht dritte Händler Produkte derselben Kategorie mit derselben Angabe bewürben (vgl. Anlagen K2 und K3 [Ausdrucke der Produktseiten]).
Die Beklagte entfernte daraufhin zwar die konkret beanstandeten Angebote und stellte sicher, dass diese nicht erneut auf www.(...).de eingestellt werden können, sie lehnte aber eine weitergehende Prüfungs- und Beseitigungspflicht ab (vgl. Anlage K4).
Nachdem Angaben mit dem Bestandteil "Milch" für Milchersatzprodukte weiterhin wie nachfolgend exemplarisch wiedergegeben auf dem Amazon-Marketplace abrufbar waren - wobei zwischen den Parteien streitig ist, inwiefern dies schon zum Zeitpunkt des ersten Hinweises des Klägers vom 17.06.2021 der Fall war -, mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 12.07.2021 erfolglos wegen Verletzung der nach seiner Auffassung durch den Hinweis vom 17.06.2021 entstandenen Prüfungspflicht ab (zu den Einzelheiten, vgl. Anlagen K20 = B4 und K5, auch i.V.m. Anlagen K 6 ff. [Anlage K7]):
((Abbildung))
Daneben beanstandete der Kläger in der Abmahnung die Empfehlung eines veganen Milchersatzprodukts als "Reismilch" durch "Amazon's Choice". Dem lag folgende, nachfolgend wiedergegebene Gestaltung zugrunde (vgl. im Einzelnen Anlage K5 i.V.m. Anlagen K13), wobei dieser nach Klarstellung des Klägers in der Berufungsverhandlung eine Suche mit dem Begriff "reismilch" zugrunde liegt:
((Abbildung))
Vergrößert sieht die angegriffene Angabe w...