Digital Markets Act sowie Digital Services Act in Kraft getreten, Geltung erst in 2023 bzw. 2024
In Deutschland besteht bei den politischen Parteien ungewohnte Einmütigkeit in der Zustimmung zu dem vom EU-Parlament beschlossenen „ Digital Services Act“ (DSA) und zum „ Digital Market Act“ (DMA). Der DMA ist zum 1.11.2022 EU-weit in Kraft getreten, die meisten Vorschriften gelten ab dem 2.5.2023. Der DSA wurde am 27.10.2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist am 16.11.2022 in Kraft getreten. Volle Geltung innerhalb der EU hat die Richtlinie allerdings erst ab dem 17.2.2024.
Ziel: EU-weite Verbesserung des Rechtsschutzes für User
Der Digital Services Act enthält unter anderem Vorschriften zur Eindämmung von illegalen Inhalten im Netz wie der Eindämmung von „Hate Speech“, „Fake news“, von über Profiling generierter gezielter Werbung und von Gewalt im Netz. Die Vorschriften dienen damit dem Schutz der Grundrechte der User. Die Vorschriften des DMA bezwecken vor allem die Eindämmung der Marktmacht von Internetkonzernen und sollen mehr Wahlfreiheit für Verbraucher bei der Auswahl von Onlineangeboten schaffen.
Die Adressaten der neuen Richtlinien
Die neuen Vorschriften erfassen eine breite Palette von Onlinevermittlern. Dazu gehören sämtliche Anbieter von Internetdiensten, Betreiber von Cloud- und Massaging- Diensten, Betreiber von Marktplätzen oder sozialen Netzwerken, Hostingsdienste, App-Stores, Online-Marktplätze, Online-Reise- und Unterkunftsvermittlungsplattformen und ähnliche Dienste. Die die neuen Vorschriften gelten auch für Onlinevermittler, die außerhalb der EU niedergelassen sind, ihre Dienste aber innerhalb der EU anbieten.
Die Vorschriften des DSA
Der Digital Services Act regelt in Ergänzung zur inzwischen 20 Jahre alten E-Commerce-Richtlinie in erster Linie die Pflichten derjenigen digitalen Dienste, die als Vermittler fungieren und Verbrauchern den Zugang zu Waren, Dienstleistungen und Inhalten ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Meta (Facebook) und auch Online-Marktplätze wie Amazon. Das Gesetz soll für einen besseren Schutz der Nutzer und der Grundrechte im Internet sorgen und regelt EU-weit einheitliche Transparenz- und Rechenschaftspflichten. Im Einzelnen enthält der DSA folgende horizontale Regelungen zu Sorgfaltspflichten und Haftungsausschlüssen für Onlineplattformen:
- Die Einführung EU-weit gleicher Mechanismen zur Meldung illegaler Online-Inhalte,
- die Einführung spezialisierter so genannter „vertrauenswürdiger Hinweisgeber“, mit denen die Plattformen zusammenarbeiten sollen, um illegale Inhalte zu ermitteln und zu entfernen,
- Regelungen zur Bekämpfung von Betrügern auf Online-Marktplätzen u.a. durch neue Möglichkeiten der Nachverfolgung von Verkäufern,
- die Verpflichtung der Online-Marktplätze zur stichprobenartigen Überprüfung der Angebote der Anbieter auf ihre Seriosität,
- höhere Transparenz für die User durch klarere Informationen über verwendete AGB und über Algorithmen, die für Empfehlungen verwendet werden (Rankings).
- Schutzvorkehrungen für Nutzer mit der Möglichkeit, Entscheidungen der Plattformen zur Moderation von Inhalten auf der Grundlage neuer obligatorischer Informationen für Nutzer anzufechten, wenn Inhalte entfernt oder eingeschränkt werden,
- verbesserter Schutz für Minderjährige auf sämtlichen Plattformen
Was illegal ist, definieren DSA und DMA nicht
Die neuen Vorschriften enthalten zwar Bestimmungen über die Erkennung, Meldung und Entfernung illegaler Inhalte, sie enthalten aber keine Definition, welche Inhalte als illegal zu qualifizieren sind. Ob ein Inhalt legal oder illegal ist, richtet sich allein nach den allgemeinen EU-Vorschriften und ganz wesentlich nach den nationalen Gesetzen. Nach EU-Recht sind beispielsweise terroristische Inhalte, die Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern und unsachlicher „Hate-Speech“ im gesamten EU Gebiet rechtswidrig. Hier sind die Plattformen gegebenenfalls zur EU-weiten Löschung verpflichtet. Ist ein Inhalt lediglich in einem bestimmten Mitgliedsstaat untersagt, so ist auch die Pflicht zur Löschung des Inhalts auf diesen Mitgliedstaat begrenzt.
Erweiterte Pflichten für sehr große Plattformen
Daneben müssen sehr große Onlineplattformen und Suchmaschinen (ab 45 Mio User) Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch ihrer Systeme ergreifen und das Risiko der Desinformation, der Wahlmanipulation, der Cybergewalt gegen Frauen sowie das Risiko der Verbreitung jugendgefährdender Inhalte mindern. Die Plattformen müssen einen neuen Krisenreaktionsmechanismus einführen, der im Fall einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Gesundheit oder Sicherheit (Pandemie oder Krieg) greift und die damit verbundenen Gefahren mindert.
Beschränkung profilingbasierter gezielter Werbung
Gezielte Werbung auf Online-Plattformen auf der Grundlage des Profilings von Kindern oder aufgrund besonderer Daten über die ethnische Herkunft, über politische Ansichten oder über die sexuelle Ausrichtung soll kategorisch verboten werden.
Verbot des „Dark Patterns“
Die neuen Vorschriften untersagen das sogenannte „Dark Patterns“. Dieser Begriff umschreibt die bewusst intuitive Oberflächengestaltung einer Website oder App., die unter Ausnutzung von Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie den User zu einem von ihm eigentlich nicht gewollten Verhalten anleiten soll. Beliebte Beispiele: Die Gestaltung von Cookie-Bannern in einer Weise, die den User zum intuitiven Akzeptieren aller Cookies bewegen soll oder eine vorgespielte Artikelknappheit durch Angabe einer geringen Zahl der noch vorhandenen Artikel.
Erweiterte Beschwerdemöglichkeiten und Überwachungsmechanismen
Die User erhalten neue Beschwerderechte sowie das Recht, eine außergerichtliche Streitbeilegung im Fall einer Beschwerde zu verlangen. Die Verfahren zur Meldung und unverzüglichen Löschung illegaler Inhalte sollen durch die neue Regelung künftig europaweit einheitlich ausgestaltet werden. Für sehr große Onlineplattformen (ab 45.000.000 Usern) soll die Kommission künftig die primäre Regulierungsstelle sein. Kleinere Plattformen unterliegen der Aufsicht der Mitgliedsländer entsprechend dem Ort ihrer Niederlassung.
Der DMA dient dem faireren Wettbewerb
Die Vorschriften des Digital Markets Act ergänzen insbesondere das Wettbewerbsrecht und beschränken die Macht marktbeherrschender Digitalkonzerne. Für große Digitalunternehmen sieht das neue Recht einen Verhaltenskodex vor. Sie dürfen im Rating eigene Angebote künftig nicht mehr bevorzugen. Dies ist in Deutschland durch das 2021 in Kraft getretene GWB- Digitalisierungsgesetz allerdings bisher auch schon untersagt. Das Gesetz diente der EU-Kommission als Vorbild für die neuen Regelungen.
Schadenersatz und Sanktionen
Schließlich erhalten die User einen Anspruch auf Ersatz jeglichen Schadens, der ihnen aufgrund einer Verletzung der Vorschriften des DSA entsteht. Im Falle sehr großer Plattformen und Suchmaschinen wird die Kommission in schwerwiegenden Fällen das Recht haben, Geldbußen in Höhe von bis zu 6 % des gesamten Jahresumsatzes eines Unternehmens zu verhängen.
Vereinheitlichung dient dem Schutz europäischer Grundwerte
Die neuen EU Vorschriften sind überfällig. Die Regulierung des schnellen Änderungen unterworfenen Internetmarktes unterliegt immer noch der 20 Jahre alten E-Commerce- Richtlinie, die durch die neuen Regelungen aktualisiert werden soll. Die EU-Kommission betrachtet die neuen Vorschriften als wichtigen Schritt zur Verteidigung europäischer Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie zum Schutz allgemein anerkannter Menschenrechte im virtuellen Raum. Die User selbst sollen es in der Hand haben, am Schutz dieser Werte mitzuwirken und durch Beschwerdemöglichkeiten und Rechtsbehelfe die Plattformen zur Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen zu zwingen.
Geltendes EU-Recht erst in 2023 bzw. 2024
Der DSA wird ab dem 17.2.2024 in der gesamten EU als unmittelbar geltendes Recht anwendbar sein. Einige Einzelvorschriften gelten allerdings bereits ab 16.11.2022. Die Vorschriften des DMA sind seit dem 1. 11.2022 in Kraft und kommen ab dem 2.5.2023 EU-weit zur Anwendung.
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