Leitsatz (amtlich)
1. Bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BlmSchV bezüglich elektromagnetischer Strahlungen wird indiziert, dass es sich nur um unwesentliche Beeinträchtigungen von Rechtsgütern handelt.
2. Eine gerichtliche Beweisaufnahme im Einzelfall kann in der Regel die gebotene Gesamteinschätzung der wissenschaftlichen Erkenntnis der weltweiten Forschung etwaiger schädlicher Folgen von elektromagnetischen Strahlen nicht leisten.
Normenkette
BGB § 906 Abs. 1 Nr. 2, § 1004 Abs. 1 Nr. 2; BlmSchV.26
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.12.2004; Aktenzeichen 2-20 O 34/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 16.12.2004 - 2-20 O 34/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 51.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage auf einem Kirchturm in O1 im ... zu unterlassen.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat mit Urt. v. 16.12.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne § 906 BGB sei nicht anzunehmen, da die bei der Klägerin gemessenen Werte für elektromagnetische Felder erheblich unter den zugelassenen Grenzwerten liegen würden. Es sei nicht hinreichend dargelegt, dass trotz Einhaltung der Grenzwerte eine Gesundheitsgefährdung von der Anlage ausgehe. Aus dem Vorbringen der Klägerin gehe nicht hervor, dass ein wissenschaftlich begründeter Zweifel an der Richtigkeit der in der 26. BlmSchV festgelegten Grenzwerte besteht.
Gegen dieses der Klägerin am 21.12.2004 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 11.1.2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Ihr Rechtsmittel hat sie mit einem am 31.1.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie habe in erster Instanz zahlreiche Gutachten, wissenschaftliche Stellungnahmen und Studien vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass Gesundheitsgefährdungen auch bei Strahlenbelastungen weit unter den Grenzwerten der 26. BlmSchV und zwar bis zu einer Größenordnung von 0,3 bis 0,5 % dieser Grenzwerte bestehen.
Das LG habe überhöhte Anforderungen an den Klagevortrag gestellt. Es hätte eine Beweisaufnahme über die Ursächlichkeit der Mobilfunkanlage für Gesundheitsstörungen der Klägerin durchführen müssen. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs reiche aus.
Es gehe um Gefahrenabwehr, welche eine Risikoprognose zum Inhalt habe. Es müsse genügen, wenn die Möglichkeit einer krankheitserzeugenden Wirkung der Mobilfunksendeanlage dargelegt werde. Die Strahlenschutzkommission habe in neueren Stellungnahmen empfohlen, die biologischen Bewertungen im Hinblick auf lokale Expositionen durch weitere Forschungen abzusichern. Durch die neueste "Naila-Studie" sei die vom BGH geforderte "Erschütterung" der Indizwirkung der Grenzwerte der 26. BlmSchV eingetreten.
Dort sei festgestellt worden, dass für die Bevölkerung im Ort Naila in Oberfranken im Umkreis von 400 m um eine Mobilfunksendeanlage das Risiko, an einem Krebsleiden erneut zu erkranken, ggü. den außerhalb lebenden Bewohnern dreimal so hoch sei. Das Durchschnittsalter für Tumorerkrankungen habe in diesem Bereich 8,5 Jahre früher gelegen.
Der sog. TNO-Report in den Niederlanden sei ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass UMTS-Sendeanlagen bei Menschen Kopfschmerzen, Übelkeit, Kribbelgefühle, Schwindelgefühle und Brechreiz hervorrufen können.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, den Betrieb der von ihr auf dem Kirchturm des Anwesens ... in O1 installierten Mobilfunksendeanlage zu unterlassen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das LG Frankfurt/M. zur Durchführung einer Beweisaufnahme zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass nach der Rechtssprechung des BVerfG aus einzelnen Studien kein Bild über die Gesamtgefährdungslage erlangt werden könne. Eine gerichtliche Beweiserhebung könne die Gesamteinschätzung nicht leisten. Die Indizwirkung der Grenzwerte sei nicht erschüttert, die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission vom 31.3./1.4.2003 befassten sich mit neuen Geräten und Anwendungen der Telekommunikationstechnologie. Sie empfehle, die Entwicklung genau zu beobachten. Es gebe keine Hinweise, dass die Grenzwerte nicht mehr ausreichend seien.
Die Naila-Studie weise nach der Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz zahlreiche Schwächen au...