Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Schadenersatzansprüche aus Verkehrsunfall in Belgien gegen belgischen Versicherer
Normenkette
EGV 44/2001 Art. 9 Abs. 1 Buchst. b, Art. 11 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.11.2013; Aktenzeichen 2-24 O 212/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 6.11.2013 - Az. 2/24 O 212/12 - und das Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ein in Land1 ansässiges Versicherungsunternehmen, Schadensersatzansprüche aus einem von einem ... Versicherungsnehmer der Beklagten in Belgien am ... 11.2009 verursachten Verkehrsunfall geltend, bei dem das Fahrzeug der Klägerin einen wirtschaftliche Totalschaden erlitt. Der Unfallhergang und die Haftung sind zwischen den Parteien streitig. Die Parteien streiten um die Frage, ob das LG Frankfurt/M., in dessen Bezirk die Klägerin ihren allgemeinen Gerichtstand nach § 17 Abs. 1 ZPO hat, für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, die Klage mithin zulässig ist.
Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen. Es hat gemeint, die Klägerin könne sich nicht auf die besondere Zuständigkeitsregelung der Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO berufen. Dass diese wirtschaftlich schwächer sei als die Beklagte, lasse sich nicht feststellen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die die Rechtsauffassung des LG zur Frage der internationalen Zuständigkeit als fehlerhaft angreift. Sie meint, die Frage der Unterlegenheit geschädigter juristischer Personen sei nicht einzelfallbezogen, sondern vielmehr typisierend festzustellen. Bei der Klage eines geschädigten Leasingunternehmens sei nicht von dessen fehlenden Schwächeposition gegenüber dem beklagten Versicherungsunternehmen auszugehen. Zudem sei sie Leasinggeberin einer Vielzahl völlig unterschiedlicher Leasinggüter. Ihre Rechtsabteilung befasse sich nicht in größerem Umfang mit der Abwicklung von Kfz-Schadensfällen als dies in jedem anderen Unternehmen der Fall sei, das einen größeren Fahrzeugbestand vorhalte. Mit ihrer in Land1 eingerichteten Vertretung würden keine Kfz-Leasingverträge vertrieben und betreut. Die vom LG angenommene Vergleichbarkeit mit einem Sozialversicherungsträger bestehe nicht. Schließlich provoziere die Rechtsaufassung des LG insbesondere im Zusammenhang mit Kfz-Leasingverträgen ein Auseinanderfallen gerichtlicher Zuständigkeiten für Ansprüche aus demselben Unfallereignis.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des LG zu verurteilen, an die Klägerin EUR 10.342,10 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.1.2010 zu zahlen; hilfsweise, das Verfahren an das LG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie behauptet, die Klägerin sei selbst in erheblichem Maße mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen befasst. Auch bei typisierender Betrachtung sei bei einer international tätigen Fahrzeugleasinggesellschaft wie der Klägerin eine Unterlegenheit nicht zu erkennen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin führt auf deren Antrag zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das LG.
Das LG hat zu Unrecht angenommen, dass die deutschen Gerichte zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits international nicht zuständig seien, weshalb die Klage unzulässig sei. Die Klägerin kann sich als Geschädigte i.S.d. Art. 11 Abs. 2 EuGVVO auf die Regelung der Zuständigkeit in Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO berufen, so dass sie in den Genuss des forum actoris kommt.
1. Der Streit der Parteien um die Zuständigkeit des LG für die Entscheidung der Klage einer deutschen GmbH auf Schadensersatz aus einem Unfall in Belgien gegen einen ... Haftpflichtversicherer beurteilt sich nach Gemeinschaftsrecht.
a. Wie der EuGH entschieden hat, ist die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 EuGVVO auf Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO dahin auszulegen, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Orts in einem Mitgliedsstaat, an der er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbar Klage zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats ansässig ist [Urt. v. 13.12.2007 - Rs. C-436/06 - Rz. 31; im Anschluss daran BGHZ 176, 276]. Da die Möglichkeit einer Direktklage gegen den ... Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeugs unstreitig gegeben ist,...