Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung - Voraussetzungen von § 135 InsO

 

Normenkette

InsO § 135

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 09.10.2015; Aktenzeichen 12 O 403/14)

BGH (Aktenzeichen IX ZA 2/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 9.10.2015 - 12 O 403/14 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A AG einen Zahlungsanspruch nach Anfechtung gegen die Beklagte geltend.

Die Beklagte ist Aktionärin der A AG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Ihr Ehemann war von März 2009 bis 20.7.2011 Vorstand der Insolvenzschuldnerin.

Auf das Konto der Insolvenzschuldnerin wurden am 21.4.2011 zweimal 27.000,- EUR eingezahlt. In den Buchungsunterlagen der Insolvenzschuldnerin erhielten die beiden Zahlungen den Buchungstext "Falsches Konto - Einzahlung B" (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.).

Am 18.5.2011 wurden vom Konto der Insolvenzschuldnerin 54.000,- EUR in bar abgehoben. Auf dem Kontoauszug ist handschriftlich vermerkt: "Rückzahlung B" (Anlage K 3, Bl. 8 d.A.). Verbucht wurde dies als "Rückzahlung B v. 21.04.2011".

Am 7.9.2011 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des AG Darmstadt vom 16.12.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Auf die Nachfrage des Klägers, wofür die Beklagte die 54.000,- EUR erhalten habe, erklärte der Sohn der Beklagten, dass die Beklagte versehentlich 2 × 27.000,- EUR auf das falsche Konto überwiesen habe. Der Betrag sei am 18.5.2011 zurücküberwiesen worden (Anlage K 5, Bl. 16 d.A.).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die beiden Zahlungen in Höhe von 27.000,- EUR seien keine Fehlüberweisungen, sondern Darlehen gewesen. Die Beträge seien vom Konto der Beklagten überwiesen worden. Die Rückzahlung des Darlehens sei gemäß § 135 InsO anfechtbar. Die Beklagte habe den Betrag in Höhe von 54.000,- EUR von der Insolvenzschuldnerin erhalten.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 54.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe ihren Sohn gebeten, sich nach Rücksprache mit ihr um die Beantwortung des Schreibens des Klägers zu kümmern. Ihr Sohn habe aus den Anlagen K 2 und K 3 geschlossen, dass es sich um Fehlüberweisungen gehandelt habe und das Geld zurücküberwiesen worden sei. Mit ihr habe er keine Rücksprache gehalten. Dass er tatsächlich keine Kenntnisse darüber hatte, ob das Geld zurückgezahlt worden sei, ergebe sich auch aus dem Umstand, dass er von einer Rücküberweisung gesprochen habe, obwohl der Betrag - unstreitig - bar abgehoben worden sei. An der Erklärung ihres Sohnes müsse sie sich nicht festhalten lassen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte sei zur Zahlung von 54.000,- EUR gemäß §§ 135,143 InsO verpflichtet. Es sei nach den Unterlagen davon auszugehen, dass die Insolvenzschuldnerin von der Beklagten zweimal 27.000,- EUR erhalten habe. Da ein Rechtsgrund für die Zahlung nicht dargelegt worden sei, sei von einem Darlehen auszugehen. Dabei könne dahinstehen, ob die Zahlung von der Beklagten oder von dem zur Verfügung über ihr Konto berechtigten Ehemann veranlasst worden sei. Denn sie müsse sich dessen Verhalten gemäß § 164 BGB zurechnen lassen. Auch wenn es sich um eine Fehlüberweisung gehandelt habe, sei es als Darlehen zu qualifizieren, da die Rückzahlung erst fast vier Wochen später erfolgt sei, der Anspruch auf Rückzahlung somit faktisch gestundet worden sei. Das Darlehen sei an die Beklagte zurückgezahlt worden. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte das Geld persönlich erhalten habe. Es sei davon auszugehen, dass es der Rückzahlung gedient habe und von dem Ehemann der Beklagten veranlasst worden sei. Wenn die Beklagte sich nicht um die Belange der Gesellschaft kümmere, sondern ihrem Mann alles überlassen habe, müsse sie es sich zurechnen lassen, wenn dieser für sie bestimmte Geldbeträge entgegen genommen habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils und die Abweisung der Klage begehrt.

Die Beklagte meint, eine Zurechnung über § 164 BGB setze ein wirksames Vertretungsverhältnis voraus. Allein der Umstand, dass der Ehemann die Verfügungsgewalt über das Konto gehabt habe, führe nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht. Im Übrigen habe der Beklagtenvertreter nach Urteilsverkündung mit dem Sohn der Be...

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