Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Entscheidung vom 13.05.2004; Aktenzeichen 2 O 178/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 2. - 4. wird das am 13. 5. 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden (Az.: 2 O 178/00) teilweise abgeändert und zur Verdeutlichung wie folgt neu gefasst:

Die Klage gegen den Beklagten zu 1. bleibt abgewiesen.

Die Beklagten zu 3. und 4. werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 175.000,-- Ç nebst 4 % Zinsen daraus seit dem 6. 1. 1999 zu zahlen.

Die Klageanträge zu 2. und 3. gegen die Beklagten zu 2. - 4. sind dem Grunde nach gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2. - 4. verpflichtet sind, sämtliche künftigen materiellen, die Beklagten zu 3. und 4. außerdem sämtliche künftigen immateriellen Schäden der Klägerin aus der nachgeburtlichen Betreuung vom 31. 5. 1987 zu tragen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die gegen den Beklagten zu 2. gerichtete Schmerzensgeldklage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. zu tragen. Die Kostenentscheidung bleibt ansonsten dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 3. und 4. können die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren beträgt 316.750,50 Ç.

 

Gründe

I.

Die Klägerin ist am 31.05.1987 in der 35. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 2.100 g in der Klinik der Beklagten zu 3. zur Welt gekommen. Sie erkrankte u. a. an einer sogenannten spastischen Tetraparese, als deren Folge sie schwer gehbehindert ist, unter Sehstörungen, Kleinwuchs und unter erheblichen Lernschwierigkeiten leidet. Ihre Erkrankung führt sie auf vor- und nachgeburtliche Versäumnisse des Frauenarztes ihrer Mutter (Beklagter zu 1.), der die Geburt leitenden Belegärztin (Beklagte zu 4.) sowie deren, in einer Gemeinschaftspraxis verbundenen Ehemannes (Beklagter zu 2.) zurück.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Blatt 756 - 779 d. A.) verwiesen.

Das Landgericht hat ein Teil-Urteil und Teil-Grundurteil erlassen, durch das die Klage gegen den Beklagten zu 1. - rechtskräftig - abgewiesen und die Beklagten zu 2. bis 4. verurteilt wurden, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 175.000,-- Ç zu zahlen. Im Übrigen hat das Landgericht ausgesprochen, dass die Klage gegen die Beklagten zu 2. - 4. dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Beklagten zu 2. bis 4. sei ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, weil der Klägerin wenige Stunden nach der Geburt per Magensonde eine unverhältnismäßig große Flüssigkeitsmenge zugeführt worden sei. Insgesamt habe das Frühgeborene innerhalb von fünf Stunden 420 ml Tee oder Glucose aufnehmen müssen, den sie nach ihrer Verlegung in die Kinderklinik der _-Kliniken in O1 teilweise wieder erbrochen habe.

Eine nicht mehr namentlich zu machende Krankenschwester der Beklagten zu 3. habe die Klägerin versehentlich überfüttert. Hierfür müsse die Beklagte zu 3. unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens einstehen. Die Beklagte zu 4. habe die notwendige Kontrolle über das Pflegepersonal unterlassen. Der Beklagte zu 2. hafte als Mitglied der Gemeinschaftspraxis mit der Beklagten zu 4..

Die Überfütterung des Kindes sei geeignet gewesen, eine sogenannte periventrikuläre Leukomalazie (PVL) hervorzurufen, die von allen Gutachtern als Ursache für die jetzigen Behinderungen ausgemacht worden sei. Die Überfütterung habe nämlich eine sogenannte Wasserintoxikation hervorrufen können, die mit einem Hirnödem, Atemstillstand und Hirnspastiken einher gehe. Das Landgericht stützt sich hier auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. SV1, der in Übereinstimmung mit seinem neonatologischen Berufskollegen Prof. SV2 die Wasserintoxikation als wahrscheinliche Schadensursache ausgemacht hat.

Die Beklagten zu 2. bis 4. haben gegen das Urteil des Landgerichts form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiterverfolgen. Sie rügen die Beweiswürdigung des Landgerichts und werfen ihm außerdem vor, Rechtsfehler bei der Beurteilung der ärztlichen Sorgfaltspflicht begangen zu haben.

Die Beklagten sind nach wie vor davon überzeugt, dass der Klägerin in ihrem Krankenhaus nicht 420 ml Flüssigkeit zugeführt worden ist. Hier liege ein Dokumentationsmangel vor, wie er von dem Beklagten zu 2. in einem später beigehefteten handschriftlichen Vermerk zur Dokumentation richtig gestellt worden sei. Auf jeden Fall könnten die Beklagten hierfür nic...

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