Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Lohnsteuerhilfevereins für unlautere Werbemaßnahmen des Beratungsstellenleiters
Leitsatz (amtlich)
Ein Lohnsteuerhilfeverein haftet für unlautere Werbemaßnahmen seines Beratungsstellenleiters, auch wenn die Werbematerialien (hier: für unzulässige Steuerberaterleistungen) nicht für das Büro des Vereins, sondern für einen dort von dem Beratungsstellenleiter gesondert betriebenen Buchhaltungsservice aufgestellt wurden, wenn den Verein eine entsprechende Erfolgsabwendungspflicht trifft. Diese kann sich daraus ergeben, dass der Beratungsstellenleiter bei dem Verein selbst in leitender Funktion tätig ist.
Normenkette
StBerG § 4 Ziff. 11, §§ 5-6, 8; UWG §§ 3, 3a
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 27.03.2020; Aktenzeichen 13 O 8/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.3.2020 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wiesbaden abgeändert.
Der Beklagte wird bei Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verurteilt, es zu unterlassen,
damit zu werben, geschäftsmäßig für gewerbetreibende Dritte Steuererklärungen zu fertigen, steuerberatend tätig zu sein sowie Hilfe in Buchhaltungsangelegenheiten zu leisten, die über die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge gem. § 6 Nr. 3 StBerG und/oder das Buchen laufender Geschäftsvorfälle einschließlich Kontieren, die laufende Lohnbuchhaltung und das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen gem. § 6 Nr. 4 StBerG hinausgehen, wie geschehen durch die Werbung vor der Beratungsstelle in Stadt1 im Februar 2019, Anlage K1.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe 19.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Zusammengang mit Steuerberatungsleistungen.
Die Klägerin ist die als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasste Steuerberaterkammer X. Der beklagte Lohnsteuerhilfeverein betreibt in Stadt1 eine Beratungsstelle. Er ist nicht zum Steuerberater bestellt bzw. als Steuerberatungsgesellschaft registriert. Der Beratungsstellenleiter des Beklagten, Herr A, betreibt unter der gleichen Adresse in anderen Räumen einen Buchhaltungsservice.
Die Klägerin wurde am 1.2.2019 durch Übersendung eines Fotos darauf aufmerksam gemacht, dass vor der Beratungsstelle des Beklagten Schilder an der Wand angebracht bzw. auf dem Gehweg aufgestellt waren, die Leistungen in Steuerangelegenheiten bewarben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K1 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20.3.2019 ließ die Klägerin sowohl den Beklagten als auch dessen Beratungsstellenleiter wegen Verstößen gegen das Steuerberatungsgesetz abmahnen. Der Beratungsstellenleiter gab daraufhin eine auf ihn persönlich lautende Unterlassungserklärung ab. Der Beklagte lehnte die Verantwortlichkeit für die angegriffene Werbung ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Verantwortlichkeit des Beklagten als wettbewerbsrechtlicher Störer sei nicht erwiesen.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des angegriffenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, dem Beklagten bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel (Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und/oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten) zu untersagen,
damit zu werben, geschäftsmäßig für gewerbetreibende Dritte Steuererklärungen zu fertigen, steuerberatend tätig zu sein sowie Hilfe in Buchhaltungsangelegenheiten zu leisten, die über die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge gem. § 6 Nr. 3 StBerG und/oder das Buchen laufender Geschäftsvorfälle einschließlich Kontieren, die laufende Lohnbuchhaltung und das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen gem. § 6 Nr. 4 StBerG hinausgehen, wie geschehen durch die Werbung vor der Beratungsstelle in Stadt1 im Februar 2019, Anlage K1.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.
1. Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung konkretisierte und auf die konkrete Verletzungsform bezogene Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, 3, ...