Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsgefahr eines Kfz
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 17.09.2001; Aktenzeichen 3 O 375/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil der 3. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 17.9.2001 abgeändert.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem Beklagten zu 3) an den Kläger 8.113,20 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 19.5.1999 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg, weil seine - in zweiter Instanz reduzierte - Klage begründet ist.
Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz seines Schadens, der ihm infolge des Verkehrsunfalls am 4.12.1998 gegen 21.30 Uhr auf der BAB 3 bei Kilometer 189, 480 entstanden ist, nicht nur gegen den - bereits durch rechtskräftiges Teilversäumnisurteil verurteilten - Beklagten zu 3), sondern auch gegen die Beklagten zu 1) und 2). Für die Unfallfolgen ist der Beklagte zu 1) als (Noch-) Halter des Fahrzeugs, von dem die Gefahr ausging, verantwortlich (§ 7 Abs. 1 StVG), wofür die Beklagte zu 2) als seine Haftpflichtversicherung unmittelbar einzustehen hat (§ 3 Nr. 1 PflVG).
Der Unfall ereignete sich "bei dem Betrieb" des Beklagtenfahrzeugs, nämlich in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dessen Betriebsvorgang, durch den er in zurechenbarer Weise mitveranlasst worden ist. Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals "bei dem Betrieb eines Kfz" entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz - erlaubterweise - eine Gefahrenquelle eröffnet wird, und will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kfz entstanden, wenn sich von einem Kfz ausgehende Gefahren ausgewirkt haben (BGH NJW 1962, 1676; v. 27.1.1981 - VI ZR 204/79, MDR 1981, 483 = NJW 1981, 983) und das Unfallgeschehen in dieser Weise durch das Kfz (mit)geprägt wird (BGH v. 19.4.1988 - VI ZR 96/87, MDR 1988, 850 = NJW 1988, 2802). Der 12 Jahre alte Honda, den der Beklagte zu 1) für 200 DM verkauft, aber nicht abgemeldet hatte, war infolge eines Stromausfalls auf dem Standstreifen der Autobahn liegen geblieben. Dadurch dass ein - betrunkener - Fahrzeuginsasse ausstieg, auf die Autobahn trat und versuchte, zur Hilfeleistung Fahrzeuge anzuhalten, hat sich eine von dem liegen gebliebenen Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht. Da diese den Unfall verursachende Gefahr letztlich auf einen Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder ein Versagen seiner Verrichtungen zurückzuführen ist, war der Unfall kein für den Halter unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der zweimal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vorbestrafte, betrunkene (BAK 1,71 o/oo - 2,06 o/oo) Beklagte zu 3) der Fahrer des Fahrzeugs war. Dies folgt aus der Gesamtschau der den Ermittlungsakten zu entnehmenden unstreitigen Indizien, auch wenn die Staatsanwaltschaft die Beweislage für die Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt ungünstig beurteilt und das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt hat. Dass der von ihm nur mit Allerwelts- und Spitznamen bezeichnete angebliche Fahrer und Eigentümer des Fahrzeugs niemals aufgetaucht ist und sich um "sein" Fahrzeug gekümmert hat, spricht weiter dafür, dass der Beklagte zu 3) das Vorhandensein dieser Person erfunden hat, um sich vor Strafverfolgung zu schützen.
Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht entscheidend an. Auch wenn der Beklagte zu 3) nur Beifahrer gewesen sein sollte, entfiele die Halterhaftung des Beklagten zu 1) nicht. Der Zurechnungszusammenhang mit dem Betriebsvorgang des Fahrzeugs (Stehenbleiben auf dem Standstreifen der Autobahn infolge einer Panne) kann auch dann nicht verneint werden. Denn es ist gerade dieser Betriebsvorgang gewesen, der das Verhalten des betrunkenen Beklagten zu 3) ausgelöst und ihn als Hindernis auf die Fahrbahn gebracht hat. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Betriebsgefahr des liegen gebliebenen Fahrzeuges und dem Schadenseintritt ist nicht dadurch unterbrochen worden, dass er eigentlich erst durch das Verhalten des Beklagten zu 3) herbeigeführt worden ist. Die Zurechnung eines Schadens ist keineswegs deshalb ausgeschlossen, weil er unmittelbar erst eigentlich durch ein weiteres Ereignis, etwa das Eingreifen eines Dritten, ausgelöst wird (BGH NJW 1972, 904; v. 9.2.1988 - VI ZR 168/87, MDR 1988, 664 = NJW-RR 1988, 731). Die Grenze der Zurechnung hat der BGH erst dort gesehen, wo das schädigende Verhalten nur noch der äußere Anlass für ein Verhalten Dritter aus freien Stücken war, nämlich wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis völlig unerheblich war (BGH v. 9.2.1988 - VI ZR 168/87, MDR 1988, 664 = NJW-RR 1988, 731). Davon kann hier jedoch keine Rede se...